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wieder eine Tour mit 20-Zoll-Faltrad, 60-l-Rucksack- und Zeltrolle auf dem Gepäckträger

 

Mittwoch 11.07.2018.         Von Düsseldorf nach Gennes                            = 44 km
Um 4.45 Uhr klingelt der Wecker. Kaffee muss sein, duschen und Haare waschen auch. Um 5.36 Uhr bringt mich die S-Bahn zum Hauptbahnhof, von wo mein Thalys fahren wird. Unterwegs ist Fahrgastbefragung. Der Fragende guckt nicht schlecht, als er hört, dass ich nach Paris weiterfahren werde. Im Thalys gab es sonst immer in der ersten Klasse Frühstück, aber diesmal scheint das auszufallen. Ich hatte mich darauf verlassen und habe Hunger! Von der Frau, die hinter mir sitzt, erfahre ich, dass es kostenlose Verpflegung nur noch in der Premiumklasse gibt, nicht aber in der ersten Klasse. Der Speisewagen ist nebenan und ich hole mir ein großes Schokocroissant und einen Kaffee. Tiefgefroren, da die Klimaanlage im Zug trotz 16 Grad draußen auf Kühlen steht, komme ich in Paris an. In Paris sind heute viele Absperrungen und Umleitungen, so dass ich sonst wo langradele. Wie froh bin ich, als ich plötzlich den Turm von Montparnasse sehe. Jetzt ist der Bahnhof schnell gefunden, allerdings springt mir noch kurz zuvor die Fahrradkette vom vorderen Kettenblatt. Ich habe noch über 1 Stunde Zeit, futtere ein leckeres Baguette und bin wieder mal die Attraktion. Sogar ein Foto will eine Passantin machen. Ich lasse ihr die Freude. Wenn man so steht und guckt, wohin die Züge so fahren, und noch dazu 4 Wochen Urlaub vor sich hat, kann man direkt ins Schwanken kommen, die geplante Route zu ändern. Nein - ich ziehe jetzt meine Planung durch. Der Zug nach Angers wird richtig voll. Ich flitze den Bahnsteig lang, da ich ja einen guten Gepäckplatz für mein Faltrad benötige. Geschafft - alles verstaut. Die meiste Zeit der 1,5 Stunden Reisezeit verschlafe ich und werde erst durch die Durchsage im Zug wach. In Angers biege ich falsch ab und drehe dadurch erstmal eine große Ehrenrunde, erst bergab, was ich natürlich wieder alles hinauf muss. Und wieder springt die Kette runter – das kann ja heiter werden! Wieder am Bahnhof angekommen, entscheide ich mich für die richtige Route und als ich endlich die Loire erreicht habe, für die Ausweichroute entlang des Flusses und der Straße. So erreiche ich glücklich Gennes, bau mein Zelt auf und frage mich durch zur nächsten Epicerie und zum Bäcker. Danach mache
ich mich auf den Weg zum römisch-gallischen Amphitheater, das ich aber nicht zu Gesicht bekomme, da das Tor verschlossen ist und auch keine Öffnungszeiten zu sehen sind. Auf dem Campingplatz ist abends Public Viewing des Fußball-WM-Halbfinales England gegen Kroatien, das England zum Bedauern fast aller verliert. Die Mücken fliegen Großangriff, doch bei mir ist alles gut verhüllt. Nur mein Daumengelenk bekommt kurz vor Schluss noch einen Stich.

 

Donnerstag 12.07.2018              Von Gennes nach Chinon                        = 48 km
Ich schlafe bis halb neun. War zwar schon mal wach, bin aber wieder eingeschlafen. Ob das wohl an der neuen Isomatte und dem neuen Schlafsack liegt? Halb elf bin ich startbereit und mache mich auf den Weg nach Chinon. Ich entscheide mich für die Ausweichroute entlang des Flusses bis Montsoreau, da ich keine Lust habe mit meinem Radel zu klettern. Nur ein winziges Stückchen ist Straße, alles andere Radweg und größtenteils schattig, was bei der strahlenden Sonne auch nicht zu verachten ist. Auf dem weiteren Weg kollidiere ich mit einer Biene, die sich in den Haaren an der Stirn, die unterm Helm herausgucken, verfängt. Als ich sie entfernen will, sticht sie zu. Mann - tut das weh. Ich steige ab, setze den Helm ab und schiebe, wobei ich durch Druck mit drei Fingern um den Stich herum versuche, die Schmerzen erträglich zu halten. Glücklicherweise hatte ich gerade Candes-Saint-Martin erreicht. Falls ich allergisch reagieren sollte, werde ich zumindest gefunden. Drei Radfahrer, die mir entgegenkommen, sind sehr besorgt und empfehlen mir ein Restaurant in der Nähe zwecks Kühlung mit Eiswürfeln. Das Restaurant befindet sich an der Kirche und die Tür zur Küche steht offen. Ich bekomme tatsächlich einen Eisbeutel gemacht. Tut das gut! Die Schmerzen lassen bald nach, so dass ich auch endlich mal die Kirche von innen angucken kann. Heute, da ich zum vierten Mal hier bin, hat sie endlich mal geöffnet.
Weiter geht es über Sauvigny nach Chinon. Ich liebe diese Stadt mit ihren kleinen Gassen, ihren Felshöhlen, ihrem Fluss Vienne und natürlich mit der fantastischen Burg, die hoch oben auf dem Fels thront. Dass ich morgen auf meiner Route da hinauf muss, steht auf einem anderen Blatt. Auf dem Campingplatz habe ich wie immer Emplacement Nr. 58, auch wenn ich da eigentlich nicht hingehöre. Ich installiere mich, wasche Wäsche, gehe einkaufen und quartiere mich danach in dem Raum ein, in dem sich die Give-Bibliothek befindet. Zum einen muss mein Tablet laden, zum anderen wäre was zu lesen schön. Bei der deutschsprachigen Literatur finde ich nichts. Dafür lese ich mich in einem englischsprachigen Neuen Testament fest. Da es auch ein schönes Format und noch dazu Goldschnitt hat, wird es seine Reise mit mir fortsetzen.
Ich schreibe erstmal ein paar Zeilen Tagebuch - darüber wird es 20.30 Uhr. Dann packe ich mein Abendbrot ein, laufe hinüber in den Ort, fahre mit dem Fahrstuhl zur Burg hoch und marschiere noch ein Stückchen höher zu meiner Bank, von der man die ganze Stadt überblicken kann. Hier saß ich schon oft abends und hier lasse ich mir mein Abendessen
schmecken. Anschließend mache ich noch einen langen Spaziergang durch den Ort, der immer noch voller Leben ist.
Auf dem Campingplatz stehe ich immer noch ganz allein im Carré. Da es fast elf ist, krieche ich in mein Zelt und spiele noch ein wenig auf dem Tablet und genieße dazu ein Schlückchen Rotwein. Aus der Ferne werde ich mit Life-Musik beschallt. Eine halbe Stunde später ist Ruhe.

 

Freitag, 13.07.2018               Von Chinon nach Savonnières                               = 51 km
Obwohl ich um 7.45 Uhr aufstehe, bin ich erst halb elf fertig zur Abreise. Ich habe so richtig getrödelt und zum Packen die Terrasse eines fest installierten leer stehenden Zeltes benutzt. Da in meinem Rucksack die heilige Ordnung der vergangenen Jahre etwas durcheinander geraten ist, weil ich andere Sachen mitgenommen habe, bin ich noch immer über der Optimierung des Packens. In Chinon will ich zum Velo-la-Loire, lande dabei auf einer anderen Route und finde mich östlich von Chinon in Malvault wieder. Also fahre ich nunmehr im Tal nach Chinon zurück und versuche mein Glück über einen anderen mir bekannten Weg. Der Umweg hat mich 10 km mit ordentlichen Steigungen gekostet. Der Neubeginn bedeutet nochmals zum Plateau hoch zu klettern und das bei sengender Sonne. Oben ist auch plötzlich wieder der Radweg zur Loire in Richtung Huismes ausgewiesen und irgendwann erreiche ich den Fluss. In Brehemont lege ich bei einer Radlerunterkunft mit angeschlossener Werkstatt eine Pause ein. Der Besitzer - ein Schweizer, der in seiner Schulzeit Deutsch gelernt und mir vor zwei Jahren meinen Bremszug repariert hat, erkennt mich wieder. Wir plaudern ein wenig bevor ich meine Tour fortsetze. Mein heutiges Ziel ist Savonnières. Als ich auf dem Campingplatz ein Emplacement suche und schon mal meine eventuellen Nachbarn grüße, fällt mein Blick auf deren Autokennzeichen. Sie sind aus dem Vogtland. Das ist gar nicht weit von meiner Heimatstadt. Ich gebe mich zu erkennen und schon sind wir am Schwatzen. Ihr Dialekt ist dem meinen sehr ähnlich. Sie haben nichts dagegen, dass wir Nachbarn auf dem Platz werden.
Ich baue auf, kaufe ein und laufe über die Brücke auf die andere Seite des Flusses Cher. Dort gibt es einen Strand und ich kühle meine Füße im Wasser. Fehlt nur noch, dass es zischt - so heiß fühlen sich meine Füße an. Zum Abendbrot gibt es bei mir Ratatouille vom fahrenden Händler auf dem Campingplatz. Danach drehe ich noch eine Runde durch den Ort, um anschließend noch mit meinen Nachbarn zu quasseln. Als ich um elf endlich im Zelt liege, donnert irgendwoher Feuerwerk
und Jungvolk grölt in der Nähe. Halb zwölf ist das auch vorbei und ich kann schlafen.

 

Samstag, 14.07.2018. 2150 – 2210        Von Savonnières nach  Amboise                          = 54 km
Die Nacht war warm und ruhig. Gegen acht stehe ich auf und bin zehn vor zehn fertig. Der Weg zwischen Savonnières und Tours war schon immer öde und wird es auch bleiben. Dazu ist es heiß. Durch Tours komme ich ohne mich zu verfahren. Der Weg ist sehr gut ausgeschildert. In Montain mache ich eine längere Rast im Schatten. Ein Radfahrer sucht den Weg, der aus der anderen Richtung kommend leicht zu verfehlen ist, da nur ein winziges Schildchen durch eine schmale Gasse weist. Ich habe vor zwei Jahren auch nicht aus dem Ort herausgefunden, da noch dazu im Zentrum alles aufgebuddelt war. Nach zwei Runden hat es mir dann gereicht, bin irgendwo ins Tal gefahren und auf der Schnellstraße gelandet, wo ich auch nach kurzer Zeit den Radweg wiederfand. Dann geht‘s über Lussault-sur-Loire  nach Amboise auf den Campingplatz. Das erste Emplacement ist eine Katastrophe, das zweite direkt an den Sanitäranlagen. Später werde ich mir noch ein anderes Plätzchen suchen. Erstmal wird aufgebaut und eingekauft. Als ich noch ein wenig
Windowsshopping mache, höre ich es hinter mir rufen. Ich drehe mich um und bekomme von meinen neuen Campingplatznachbarn - zwei Männer, eine Frau - eine Einladung, mich zu ihnen zu setzen. Ich lasse mich nach kurzem Zögern überreden und trinke ein rotes Bier mit. Da sie nur französisch können und meine Französischkenntnisse sehr mangelhaft sind, gestaltet sich die Unterhaltung etwas holprig. Ich kratze mein ganzes Vokabular zusammen. Danach schaffe ich meinen Einkauf zum Zelt, schnappe mir mein Fahrrad und fahre zur Pagode de Chanteloupe. Diesmal ist sie geöffnet und so kann ich sie besteigen und besichtigen. Wieder zurück auf dem Platz, starte ich nochmals zu Fuß
in die Stadt und danach eine Runde über den hinteren Teil des Campingplatzes. Ich finde ein schöneres Emplacement und da die Rezeption inzwischen geschlossen ist, wird da auch niemand mehr kommen, da man nur mit einem Code auf den Platz kommt. Ich ziehe also um, und 15 Minuten später steht alles. Inzwischen ist es zehn Uhr abends und ich stiefele
abermals los, um mir ein gutes Plätzchen für das Feuerwerk gucken zu suchen (es ist Nationalfeiertag!). Ich setze mich auf die Brücke und schreibe Tagebuch. Punkt elf Uhr bin ich fertig und das Feuerwerk beginnt. Wir kommen gleich in den Genuss mehrerer Feuerwerke, da auch die von anderen Orte zu sehen sind. Später auf dem Campingplatz kehrt zumindest in meinem Areal schnell Ruhe ein - Radfahrer eben.

 

Sonntag, 15.07.2018         Von Amboise nach Blois                                             =  54 km
Als ich um acht aus dem Zelt krieche, wird ringsherum schon gepackt. Ich gehe erstmal duschen und packe soweit alles zusammen, dass ich das Innenzelt aushängen und das Außenzelt so aufstellen kann, dass es austrocknen kann, da sich viel Kondenswasser angesammelt hat. Inzwischen kann ich frühstücken und danach auch das Zelt verpacken. Beim Frühstück sitze ich mit Holländern am Tisch und kann sie über das Streckenprofil aufklären. Sie sind dafür sehr dankbar, da sie mit Liegerädern wandern und starke Steigungen da suboptimal sind. Von Amboise aus nehme ich erstmalig die Original-Velo-Route. Die führt mich hinauf auf ein Plateau und in Mosnes wieder runter. Alsdann geht es flach weiter bis Candé-sur-Beuvron. Dort bei einer Pause lasse ich mein Supermehrzwecktuch liegen. Danach fahre ich wieder einen Berg hoch. Oben ist die Ausschilderung nicht so toll und so beschließe ich bis Chailles Straße zu fahren. Da kaum ein Auto kommt, war das die beste Entscheidung. Ich kenne nämlich eine andere Strecke - gut in Erinnerung durch Auf und Ab und einen Salto vom Rad, als ich mit dem Lenker an einem Pöller hängengeblieben bin. Hinter Chailles kreuzt plötzlich mein Eurovelo 6 . Nun ist es nicht mehr weit nach Blois und von da aus sind es ca 4,5 km bis zum Campingplatz. Die Tour war zwar nicht sehr weit, aber trotzdem anstrengend wegen der Steigungen, keines Schattens auf dem Plateau und der sengenden Sonne. Ich kam mir wegen meines Wasserverbrauchs heute vor wie ein Fass ohne Boden. Nach dem gemütlichen Zeltaufbau fahre ich zurück nach Blois. Ich habe die Gassen für mich allein, weil alle Welt sich sammelt zum gemeinsamen Fußballgucken. Als das Finale der WM beginnt und die Spieler die Nationalhymne singen, stimmen sämtliche Franzosen mit ein. Auch am Schluss wird nach dem Sieg Frankreichs von allen die Hymne gesungen. Mir stehen die Tränen in den Augen und ich freue mich mit dem Land. Blau-weiß-rotes Feuerwerk und Konfetti ist zu sehen, Leute tanzen und die Autos hupen wie wild. Ich bimmele mit meiner Fahrradklingel fleißig mit.

 

Montag, 16.07.2018. 2272 – 2305       Von Blois nach Beaugency                             = 32 km
Heute bin ich bereits um zehn Uhr mit allem fertig und auf geht es nach Beaugency - abends werde ich feststellen, dass ich eigentlich heute bis Orleans-Olivet kommen wollte. Auch nicht schlimm, da es wieder sehr warm ist und ein freier Nachmittag auch ganz schön ist. Noch dazu ist die Strecke ausgesprochen flach. Ich fahre auf der rechten Seit stromaufwärts bis Muides-sur-Loire, wechsele die Seite des Flusses, hänge in Lestiou meine Beine in das eiskalte Wasser einer historischen Waschstelle, die gleichzeitig als Picknickstelle für Radfahrer ausgewiesen ist, und erwische gegen eins auf dem Campingplatz das ultimative Emplacement. Mein Zelt wird den Rest des Tages im Schatten stehen. Noch dazu weht wenigstens der Wind, so dass ich gleich mal Wäsche wasche und aufhänge. Anschließend laufe ich zu Leclerc eine halbe Stunde und hole mir leckere Sachen zum Futtern. Ich habe Hunger, denn ich hatte zum Frühstück nur ein Döschen Gänseleberpastete, ein Viertel höchstens Baguette und Milchkaffee. Vier Torteletts sind im Angebot für 3,50 € statt 6,80 €. Auf dem Kassenbon erscheint natürlich der höhere Preis. Ich reklamiere und bekomme mein Geld wieder. Draußen las ich mir die Tarteletts schmecken - ein Zitronentartelett, eins mit Himbeeren, eins mit Apfelstücken. Vom Schokotartelett schaffe ich nur die Schoki - ich bin richtig schön vollgefressen.Zurück auf dem Platz wird die weitere Route angeguckt und Kartenstudium gemacht. Es sieht irgendwo danach aus, als gäbe es irgendwann keine Campingplätze mehr an der
Strecke. Ich habe Durst, gehe barfuß zur Wasserstelle und latsche prompt auf eine Biene, die natürlich zusticht. Ich denke erst, dass ich auf eine kleine Distel getreten bin, entferne, was noch drinsteckt. Da aber der Fuß erst taub wird und dann schmerzt und die Einstichstelle anschwillt, war es wohl doch keine Distel. Ich humpele fix zum Restaurant, das natürlich wiedermal genau am anderen Ende des 'Platzes ist, und bekomme Eiswürfel. Das hilft und eine halbe Stunde später bin ich wieder lauffähig. Ich mache nochmal einen langen Spaziergang durch das Städtchen und trinke am Loirestrand
ein rotes Bier (ich weiß jetzt, dass es Grimlingen Rouge heißt). Gegen acht esse ich Abendbrot und schreibe Tagebuch.
Mein Tablet ärgert mich - es will mich nicht in meine bisherige Datei reinlassen. Fange ich eben eine neue Datei an!

 

Dienstag, 17.07.2018. 2305 – 2371      Von Beaugency nach Chateauneuf-sur-Loire     = 60 km
Warum können sich manche Leute nicht an die Campingplatzregeln halten? Überall auf dem Platz herrschte schon abends um elf  Ruhe - ein ungeschriebenes Gesetz. Nur das Paar aus dem Saarland gegenüber quatschte mit einem anderen Paar aus Münster so laut, dass ich jedes Wort verstehen konnte. Als es fast Mitternacht ist, bat ich sie, Rücksicht auf andere zu nehmen und ihre Lautstärke zu dämpfen. Bald war auch dort Ruhe.
Halb acht stehe ich auf, zwanzig vor zehn gehe ich in die Spur. Heute habe ich eine größere Etappe vor mir. Ich will bis Chateauneuf-sur-Loire kommen. Dafür habe ich mir die Strecke in Teilstücke eingeteilt, nach denen ich jeweils eine kurze Pause einlege. Ich fahre komplett den Velo la Loire und habe die Option, zehn km vor dem Ziel, zu nächtigen. Aber dann habe ich die 10 km bei der morgigen Etappe nach Gien dabei und das will ich nicht. Ich mache eine längere Pause in Jargeaux, hole mir in einer Boulangerie Quiche und ein Schokiteilchen und schaffe es danach bis Chateauneuf. Meine Nachbarn sind Holländer, die gut deutsch sprechen und schon sind wir noch vorm Zeltaufbau im Gespräch. Nachdem mein Zelt endlich steht und ich Wäsche waschen will, stelle ich fest, das meine Wäscheleine noch in Beugency gespannt ist. Muss ich halt improvisieren. Fahrradhose, Slip und Socken werden an die Zeltstange geklammert, Shirt und Handtuch werden an den Zweigen eines Baums befestigt und die Fahradhandschuhe nebst Büstenhalter trappiere ich auf dem Lenker des Fahrrads. So kann das trocknen, während ich kurz in der Stadt Milch und Baguette hole. Abends sitze ich im Fernseher-Spiele-Raum, schreibe Tagebuch und daddele auf meinem Tablet. Später will ich nur noch eine Runde über den Campingplatz spazieren und bleibe bei meinen anderen Nachbarn aus Berlin hängen. Wir quatschen bis nach elf. Schließlich im Zelt schlafe ich bei einem Froschkonzert ein.

 

Mittwoch, 18.07.2018. 2371 – 2429    Von Chateauneuf-sur-Loire nach Gien        = 50 km
Habe heute Nacht erstmalig mit einer Schlafbrille schlafen müsen, die mir daheim beim Packen zufällig zwischen die Finger geraten war. Eine Seite vom Zelt wurde direkt von einer Laterne angestrahlt. Somit habe ich aber auch bis halb neun pennen können. Zwanzig vor elf fahre ich los nach Sully und von da aus über St. Florent nach St. Gordon. Heute sind wieder längere Steigungen zu bezwingen. Ich habe ständig einen älteren Franzosen vor mir oder hinter mir. In St. Gordon ist ein kleiner Park an einer Mühle, in dem schon etliche Radwanderer herumlungern. Eine Familie, die vor mir in die Gegenrichtung abgefahren ist, entdecke ich gerade noch am Ausgang stehend und ich kann sie darauf hinweisen, dass Sohneman die Sonnenbrille im Gras vergessen oder verloren hat. Für mich geht es weiter nach Gien. Der Campingplatz ist mit Blick auf die Stadt und ich habe auf meinem Emplacement den Luxus einer Picknickbank. Vom viel gepriesenem Chateau bin ich ein wenig enttäuscht, auch wenn es von außen hübsch anzusehen ist. Die Räumlichkeiten
bergen lediglich alles über die Jagd und eine Fotoausstellung. Wieder auf dem Platz mache ich Kartenstudium und Etappenplanung bis Mulhouse. Dort müsste ich nach meiner jetzigen Rechnung am ersten August ankommen. Demnach werde ich es wohl kaum per Rad bis zum 8. August nach Düsseldorf schaffen. Irgendwo muss immer jemand auffallen. Eine Frau aus Siegen unterhält ewig die gesamte Nachbarschaft lautstark mit einem Handygespräch, Fluppe im Mundwinkel und Bier in der Hand - typisch Deutschland-Campingplatz-Kultur. Abens lasse ich es mir gut gehen. Im Platzrestaurant schreibe ich Tagebuch, weil das Tablet laden muss und ich keine andere Stelle mit Steckdose finden kann,  trinke dazu ein Grimbergen und esse ein Schinkenomelett. Nach einem späten Spaziergang beende ich schließlich den Tag.

 

Donnerstag, 19.07.2018. 2429 – 2481     Von Gien nach Coisne-Cours-sur-Loire                 = 47 km
7.45 Uhr aufstehen, um 10 Uhr abfahrbereit. Vorher lasse ich mir vom Nachbarn aus Bochum mit seiner Pumpe Luft auf die Reifen geben. Vor allem das Hinterrad hat Luft gelassen - aber nicht viel. Jetzt rollt es viel besser, doch nur bis Briare. Über die Kanalbrücke - eine Brücke über die Loire, die beschiffbar ist - schiebe ich mehr als dass ich fahre, da das Wasser neben mir mir sehr suspekt ist und noch dazu Gegenverkehr herrscht. Ein Boot tuckert mir entgegen. Drei Kilometer vorm nächsten Ort hat mein Hinterrad wieder weniger Luft. Ich versuche es mit Pannenspray. Das hilft tatsächlich, man soll aber nach einigen km nochmal normal nachpumpen. Das versuche ich auf meiner Rote entlang des Canal at a la Loire. Ich habe versehentlich die längere Route erwischt aber auch die interessantere. Kurz nach Beaulieu-sur-Loire scheitert der Aufpumpversuch an meiner Luftpumpe. Beim Versuch zu fahren, merke ich jedes Steinchen. 5 km lang schiebe ich mehr als ich fahre, dazu ist ein fürchterlicher Bodenbelag - weiß und viele Steinchen. Und die Sonne sengt dazu. Dann treffe ich endlich drei andere Radwanderer. Einer hat eine Mini-hightech-Pumpe und gibt mir Luft
auf meinen Pneu. Und dann rollt es endlich wieder. Ich fahre so zügig wie möglich, umrunde ein Kernkraftwerk und lande schließlich wieder auf einem Damm entlang der Loire. Blöd nur, dass man da in der prallen Sonne radelt. Wenigstens entdecke ich etwas abseits vom Weg eine Wasserstelle, denn mein Trinkvorrat ist fast aufgebraucht. Später fahre ich eine Feldwegabfahrt herunter und parke mich für 10 Minuten im Schatten. Ich bin froh, als ich nach vier km Cosne-Cours-sur-Loire und damit einen Campingplatz erreiche. Die 13 km bis St. Saturin, meinem eigentlichen Ziel, hätte ich bei dieser Glut nicht mehr geschafft. Momentan spiele ich mit dem Gedanken, nur bis Nevers zu fahren und von da aus mit dem Zug woandershin. Dann hätte ich zumindest den Loireradweg fertig. Heute gucke ich nun noch mir die Stadt an und hänge für ein paar Minuten meine Füße in den Fluss. Der Campingplatz ist übrigens sehr schön grün und mit vielen Bäumen. Er befindet sich flussaufwärts auf der rechten Seite. Nachtrag: man sollte einen Kocher nicht unbeaufsichtigt lassen. Heute Morgen löste sich ein schlecht aufgehängte Hose bei Engländern, während diese im Wohnwagen hantierten, fiel
auf den Kocher und fing sofort Feuer. Die Spanier neben mir sprangen geistesgegenwärtig hinzu, schlugen das Feuer aus und die Engländer merkten drinnen nichts. Nicht einmal der Hund, der verbotenerweise nie an der Leine war, merkte was davon. Die Hose sah hinterher sehr bizarr aus. 

 

Freitag, 20.07.2018. 2481 – 2533      Von Cosne-Cours nach Nevers                                    = 47 km
Nachts hat es mal kurz gepieselt, als ich aufstehe, ist wieder alles trocken. Die Picknickbank in meiner Nähe ist gerade nicht belegt, so dass ich sie in meinen Packvorgang integrieren kann. Heute wird noch vorm Frühstück alles eingepackt, da das Wetter aussieht, als könnte es Regen geben. Doch die Wolken verflüchtigen sich und die Sonne meint es wieder mehr als gut. Auf meinem Weg schenke ich mir den Abstecher ins Weindorf Sancerre, als ich
sehe, dass das doch wieder Kletterei bedeuten würde. Stattdessen versuche ich so weit wie möglich zu kommen, bevor die Sonne wieder den ganzen Weg flutet. Nach 19 km lege ich eine kurze Trinkpause ein und schiebe das Rad ein wenig. Ich habe zwar kurz ein komisches Gefühl, dass was nicht stimmen könnte, kontrolliere aber nicht. Als ich wieder
aufsteige, merke ich, dass ich hinten auf der Felge fahre. Also wieder runter vorm Rad und versuchen,  mit Pannenspray mir zu behelfen. Aber das Ventil lässt nichts durch….da hilft nur 4 km schieben bis Pouilly-sur-Loire. Dort gibt es zwar keine Fahrradreparatur aber einen Bahnhof. Die nächste Werkstatt ist in Nevers, der Zug dahin gerade fünf Minuten weg und der nächste kommt erst in ca. einer Stunde. Ich richte mich wohnlich ein und bekomme sogar über den Gartenzaun auf meine Bitte hin von zwei älteren Damen meine Wasserflasche aufgefüllt. Halb drei komme ich in Nevers an und beschließe, erstmal auf dem Campingplatz einzuloggen, der unten am Fluss in ein km Entfernung sich befindet. Dort treffe ich jetzt zum dritten Mal nach Gennes und Blois einen Tretrollerwanderer. (Der Roller hat vorn ein 28-Zoll-Rad und hinten ein 20-Zoll-Rad) Er erkennt mich diesmal sofort. Die Fahrradwerkstatt ist natürlich oben am Bahnhof und man spricht nur französisch. Irgendwie mache ich dem Mann klar, was meinem Velo fehlt und dass der Schlauch gewechselt werden soll. Nach eineinhalb Stunden Wartezeit, in denen ich durch die Stadt streife, bekomme ich einen zusätzlichen Makel gezeigt. Der Mantel hat auch eine Macke. War zu erwarten, da dieser jetzt schon die vierte große Tour erlebt auf teilweise sehr steinigen Wegen. Halb sechs habe ich mein Velo wieder und ich setze die Stadtbesichtigung fort. Um sieben fällt mir ein, ich könnte doch noch mal kurz zum Panorama Bec de Allier fahren. Das ist ein Aussichtspunkt, von dem man den Zusammenfluss von Loire und Aller von oben sehen kann in ca. sieben bis acht km Entfernung von der Stadt. Da wäre ich heute normalerweise allerdings unten vorbeigekommen auf dem Radweg. Gegen halb neun fliege ich auf dem Platz ein, melde mich mal via Facebook und schreibe bei Livemusik mit Blick auf die Stadt mit ihrer Kathedrale im Scheine der untergehenden Sonne Tagebuch.

 

Samstag, 21.07.2018. 2533 – 2574         Von Nevers nach Decize                          = 37 km
Bis ich gestern ins Zelt gekrochen bin, habe ich gedacht, rechts neben mir im Zelt wohnen nur Papa und zwei Kinder als Fahrradwanderer. Doch plötzlich war da noch eine qualmende Frau und ein SUV. Da das Zelt schon relativ groß war und die Emplacements klein sind, herrschte nur zwei Meter Abstand von Zeltwand zu Zeltwand. Dabei gab es noch genügend
Platz anderswo. Heue Morgen um 7.15 Uhr war dann auch prompt die Nacht endgültig zu Ende, da die Frau auch noch ein Kleinkind mitgebracht hatte, das heulte. Um 6.15 Uhr wurde ich schon einmal aus dem Schlaf gerissen, als drei Radwanderer beim Packen sich ihre Worte laut zurufen mussten. Das Zelt ist heute nass. Ich packe erst mal meinen Rucksack, hänge das Innenzelt zum Durchlüften auf und drehe das Außenzelt so auf, dass der Wind durchpusten kann. Nach dem Frühstück ist es trocken und Viertel vor zehn starte ich. Die Etappe ist kürzer als erwartet ausschließlich am Canal lateral at la Loire entlang. Es fährt sich gut - meist im Schatten. Außerdem hat es ein wenig abgekühlt. Ich fahre ständig an Schleusen und Brücken vorbei, Bootswanderer winken mir vom Kanal aus zu. Halb eins trudele ich auf dem
Campingplatz in Decize ein, baue auf und wasche gleichzeitig Wäsche. Hier gibt es den Luxus von Wäscheständern. Da ich vorhin an einem Intermarché vorbeigekommen bin, mache ich mich zu Fuß dorthin auf. Mein Po braucht auch mal Pause. Nach dem Einkauf ist auch der Franzose mit seinem Tretroller eingetroffen. Heute unterhalten wir uns
ausführlicher über unsere Touren. Was es uns leicht macht ist, dass im Aufenthaltsraum eine große Karte mit sämtlichen Radwanderwegen Frankreichs hängt. Er gibt mir viele gute Tipps für die nächsten Jahre. Anschließend besichtige ich in Ruhe den Ort und schreibe später Tagebuch. Den Tag lasse ich bequem in einem Sessel fläzend im TV-Häuschen ausklingen und mit einem abschließenden Abendspaziergang.

 

Sonntag, 22.07.2018. 2574 – 2652     Von Decize nach  Digoin                      = 70 km
Heute beginnt der Tag mit einem großen Pott heißen Kaffee dank der im TV-Raum integrierten Küche. Ich hänge währenddessen mein geliebtes farblich zu Zelt und Rucksack passendes Badetuch aus Mikrofaser über einen Stuhl in die Sonne, nehme es versehentlich nicht mit zum Zelt. Später ist es weg. Ich suche überall, gucke auch auf die anderen
Emplacements, aber es ist nicht auffindbar. Der einzige, der sich um diese Zeit auch dort aufgehalten hat, war der Franzose mit dem Tretroller. Er war dann auch sehr schnell weg ohne Au revoir. Ist halt so ein Verdacht!
Von Decize aus hüte ich mich, den Eurovelo 6 über den Canal du Nivernais bis Bourbon-Lancy zu nehmen. Der soll zwar sehr schön sein aber auch sehr hügelig. Stattdessen nehme ich die kaum befahrene D15 über Ganay, Garnat, le Fourneau. Es ist eine wunderbare flache Strecke, Bourbon-Lancy haut mich nicht vom Hocker und bis Digoin zu kommen wäre machbar, da der Eurovelo jetzt wieder flach am Canal lateral la Loire verläuft. Kurz vor Diou schält sich eine Silhouette in der Ferne heraus - kein Fußgänger aber auch kein Radfahrer. Ich habe die Person bald eingeholt - es ist der Tretrollerwanderer. Wir begrüßen uns und ich erzähle ihm die Sache mit dem Handtuch und frage ihn, ob er was
gesehen hat. Er verneint. Wir wünschen uns gute Weiterfahrt. Begegnen werden wir uns wohl nicht mehr, da er im Ort auf dem Campingplatz übernachten will. Auf der weiteren Fahrt treffe ich noch einen anderen Radwanderer, der aber in der Gegenrichtung unterwegs ist und sich sehr für meine Art zu reisen interessiert. In Digoin muss ich wieder eine große Kanalbrücke über die Loire überqueren. Der Campingplatz ist sehr schön, vor allem der Radlerbereich ist Klasse. Ich richte mich ein und gehe den Ort besichtigen. Auf der Suche nach einem Restaurant meiner Preisklasse - ich bin hungrig wie ein Wolf - finde ich abends halb sieben auf’m Sonntag noch eine offene Patisserie, in der ich mir eine schokoladige Verführung zu Gemüte führe. Habe ja noch von mittags ein belegtes Viertelbaguette, das ich mir in einem herrlichen Erholungspark in Bourbon-Lancy zusammen mit einem Crepe sucre geholt hatte, und eine Dose Makrele in Tomate. Wieder auf dem Platz habe ich mich gerade im TV-Raum nieder gelassen, um Tagebuch zu schreiben, da denke ich, ich habe eine Erscheinung. Der Tretrollerer steht vor mir. Der Campingplatz in Diou war wohl nix. Wir tauschen unsere weitere Routen aus. Wir haben beide schon erkannt, dass es in erträglicher Entfernung - nämlich um Montceau-les-Mines keinen Campingplatz gibt. Ich werde wahrscheinlich morgen von Paray-le-Monial aus einen Abstecher nach Lyon machen und danach mit dem Zug nach Chalon-sur-Saone zum Eurovelo zurückkehren, während der Franzose bis Palinges fahren wird und dann eine große Etappe bis Santenay vor sich hat. Für mich hat Lyon Bedeutung in zweierlei Hinsicht. Es erinnert an zwei mir nahestehende Verstorbene.

 

Montag, 23.07..2018 2652 – 2693     Von Digoin nach Palinges                          = 38 km
Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Kein Abstecher nach Lyon - aber der Reihe nach. Um 8.15 Uhr werde ich aus dem Schlaf gerissen, weil zwei kleine Kinder lauthals Radrennen fahren. Nun gut, stehe ich halt auch auf, dusche und packe. Ich bin die letzte von den Radwanderern, die den Platz verlässt. Kein Wunder, dass ich so spät wach
geworden bin, weil ich doch gestern Abend gern eher eingeschlafen wäre, hätten da nicht die drei Leute gegenüber  in ihrem Wohnmobil ewig herumgepoltert. Um zwölf Uhr mittags komme ich jedenfalls in Paray-le-Monial an. In diesem Ort könnte man glatt fromm werden. Es gibt die Basilika und viele einzelne Kapellen. Geistliche und andere tiefgläubige
Menschen laufen umher. Es ist eine Pilgerstadt. Halb zwei fahre ich weiter nach Palinges. Ich nehme die kleine Landstraße direkt am Canal lateral la Loire entlang und spare dadurch zehn km und Steigungen. Irgendwie rollt es heute nicht so richtig. Mir steckt auch noch die gestrige Etappe in den Knochen. In Palinges angekommen treffe ich auf dem Marktplatz vor einer Bar sitzend den Tretrollerer und ein spanisches Ehepaar, das mir schon mehrere Male
begegnet ist und nach Passau fahren will, allerdings in Hotels übernachtet. Sie laden mich ein etwas mitzutrinken. Danach fahre ich mit dem Rollerfahrer zum Campingplatz. Der hat wirklich schöne Emplacements für die Velocyclists mit Schatten und jeweils Tisch und zwei Stühlen und direkt an der Seefront. Es ist ruhig hier. Auch die Holländer, mit denen ich
gestern Abend und heute Morgen in Digoin gequasselt habe, sind hier eingetrudelt. Später werden sie ihre Wäsche mit auf meine Leine hängen und mich auf ein Bier ins Platzbistro einladen. Es wird ein netter Spätnachmittag. Ich genieße es anschließend, direkt an meinem Zelt an einem Tisch auf einem Stuhl zu sitzen und Abendbrot in Stille essen zu können. So eine Ruhe habe ich selten erlebt. Ist auch gut so, da morgen wieder eine größere Etappe vor mir liegt. Nach dem Tagebuch schreiben frage ich die Holländer, ob sie noch einen mit trinken. Sie haben die gleiche Idee wie ich und bitten den Tretrollerer, der übrigens Alain heißt, mit hinzu. Es wird ein langer Abend. Die Unterhaltung gestaltet sich in drei Sprachen - meist englisch, aber auch dann mal kurz auf deutsch oder französisch. Der männliche Teil von Holland und Alain sind beide Lehrer. Da kann ich ja mitreden, da mein verstorbener Partner ja den gleichen Beruf ausübte. Gegen Mitternacht sitzen nur noch wir vier da. Die Campingplatz-Betreiber stellen uns noch Pommes hin und geben Alain eine Decke, da er friert.

 

Dienstag, 24.07.2018. 2693 – 2756    Von Palinges nach Santenay                      = 57 km
Ich werde um 6.45 Uhr wach und beschließe, aufzustehen. Ich habe eine größere Distanz zu bewältigen und wer weiß, wie warm es wird. Im Moment ist es sehr frisch und ich muss erstmalig nach dem Duschen morgens was langärmeliges überziehen. Das Zelt ist von innen ganz nass und aus dem See am Zeltplatz steigen Dampfschwaden auf, die in der
noch roten Sonne besonders schön aussehen. Ich bin von uns vieren heute die erste, die aufgestanden ist. Mein Nachbar, der freundlicherweise morgens das Radio quäken hatte, ist bald weg. Ich starte heute viertel vor neun - phänomenal. Die Holländer wollen nach Dijon, und Alain will wie ich bis Santenay kommen. Bis Montceau-les-Mines nehme ich die D974 am Canal du Centr entlang. Es fährt sich gut. Um zehn Uhr bin ich dort. Weiter geht es die Straße und den Canal entlang bis St-Leger-sur-Dheune. Kurz nach Montceau überholen mich die Spanier der letzten zwei Tage, dann ich sie, sie wieder mich, als ich in St-Julien-sur-Dheune eine halbe Stunde Verschnaufpause von Fahrt und Hitze mache, und zu guter Letzt treffen wir uns nochmal in St. Leger. Meine Pause bei einem Dönershop gibt mir Kraft für die letzten Kilometer. Was heute auffällt ist, dass alle Radwanderer zwischen Palinges und St. Leger nicht die eigentliche Route mit diversen Steigungen nehmen, sondern die flache Strecke auf der Straße am Canal du Centre entlang. Bis Santenay ist dann aber wieder ein Radweg am Canal entlang. Halb drei bin ich da. Der Campingplatz ist relativ groß und leer. Es gibt einen Radlerteil, der zwar schön schattig ist, aber dessen Untergrund kein bisschen Rasen hat. Also suche und finde ich eine andere
Stelle. Der Zeltaufbau geht nur schleppend voran trotz Schatten. Duschen, Wäsche waschen, alles langsam. Dann schlappe ich in den Ort. Die Kulisse ringsum ist malerisch. Hohe Weinberge und schroffer Fels sind zu sehen. Auf dem Markt halte ich meine Füße in den Springbrunnen, während ich Aprikosen esse. Danach schlurfe ich zum Campingplatz
zurück und drehe eine Runde. Alain ist noch nicht aufgetaucht und der Platz noch immer relativ leer. Ich schreibe Tagebuch und betreibe Kartenstudium. Da mein rechter Meniskus heute gemeckert hat und mein im Dezember stark geprellter linker Fuß mit eingestimmt hat, habe ich beschlossen, morgen ein kleines Teilstück mit dem Zug zu fahren. Mal schaun! 

 

Mittwoch, 25.07.2018. 2756 – 2844       Von Santenay nach Seurre                = 80 km
Als ich gestern Abend um zehn zum Zelt zurückkomme, baut doch tatsächlich noch eine Familie ihr Zelt auf. Allerdings machen sie wirklich leise. Nicht mal von den Kindern ist was zu hören. Da es auch sonst ruhig ist, mache ich zeitig das Tablet aus. Die Nacht heute war warm. Als ich aufwache, stecken nur noch meine Füße im Schlafsack. Um sieben stehe ich auf, um neun fahre ich los. Noch ist es wenigstens ein bisschen frischer, aber das wird sich im Laufe des Tages ändern. Schlag elf Uhr zünde ich in der Kathedrale von Chalon-sur-Saone eine große Kerze an. Halb eins habe ich den Bahnhof gefunden, aber es fährt kein Zug in Richtung Verdun-sur-le-Doubs. Dann muss ich halt radeln. Ich hangele mich von Ort zu Ort, zehn km vor Verdun entdecke ich am Picknickplatz das offene Tor eines Campingplatzes und nur wenige Meter drinnen eine Wasserstelle. Schnell fülle ich mir einen Liter Wasser ab, quatsche draußen noch ein bisschen mit einem deutschen Ehepaar. Ein junger Belgier hält auch noch an und will noch ein Foto von meiner Art zu
reisen. Kriegt er. In Verdun ist ein Camping municipal. Es ist laut und der Platz, wo ich stehen könnte, gefällt mir nicht. Einen weiteren Campingplatz, den es geben soll, kann ich nicht finden. Auch den in Charnay-les-Chalon finde ich nicht. Kurz vor Charnay treffe ich doch tatsächlich wieder die Spanier der letzten Tage. Sie machen Rast, später überholen sie mich, weil ich wegen der Hitze und der inzwischen gefahrenen Kilometer bei oft kräftigen Gegenwind kaum noch kann. Ich folge ihnen und sie nehmen einen Weg, den auch ich fahren wollte. Aus einem breiten Weg werden mit der Zeit zwei Fahrspuren, dann eine und dann gar keine mehr. Augen zu und durch und darüber gehoppelt. Irgendwann kehrt sich das Ganze um und wir sind wieder in der Zivilisation. Halb sechs erreiche ich endlich völlig entkräftet Seurre und suche noch ewig den Weg zum Campingplatz, weil der sehr schlecht ausgeschildert ist. In der Rezeption steh ich mir bald die Beine in den Bauch, aber wenigstens bekommen wir kostenlos ein Getränk und einen Schokokeks. Ich plaudere mit zwei jungen Männern, die sich auch erst unterwegs kennen gelernt haben - ein Deutscher und ein Franzose. Nach dem Zeltaufbau steh ich genau drei Minuten zu spät vor den Toren eines Supermarktes. Ich durchstreife den Ort auf der Suche nach Futter und finde, bevor ich den Kebabladen erreiche, noch einen offenen Feinkostladen. Heute Abend gibt es Weißwein aus der Region. Auf dem Heimweg ratsche ich mir noch den kleinen Zeh auf. Das Blut sickert in den Flipflop. Erste Hilfe
bietet mir eine nicht benutzte Serviette. Am Campingplatz angekommen traue ich meinen Augen nicht - Alain sitzt am WIFI-Point. Wir tauschen uns über die letzten zwei Tage aus, er hatte gestern den Campingplatz in Santenay nicht gefunden und hatte fünf Kilometer weiter genächtigt. Morgen will er nach Dole so wie ich. Da uns aber eine spätere Route zwischen Mulhouse und Straßburg unklar ist, schlage ich vor, zwei junge Männer zu Fragen, mit denen ich vorhin beim ewigen Warten in der Rezeption gequatscht habe. Die kommen nämlich gerade von dort. Für Alain wird es schwierig werden - die eine Route ist sehr hügelig und die andere am Rhein entlang sehr steinig. Vielleicht fährt ja auch
ein Zug.

 

 Donnerstag., 26.07.2018 2844 – 2906     Von Seurre nach Dole                         = 58 km
Wider Erwarten wurde es gestern Abend um elf schon ziemlich ruhig. Daher bin ich auch um sieben wach. Ich gehe duschen - das Wasser ist kalt. Auch gut. Nachdem ich alles zusammengepackt habe, zeigt die Uhr zehn nach acht. Frühstück auf dem Platz ist heute nicht, weder habe ich Milch noch heißes Wasser, in dem ich meinen Instantkaffee auflösen kann. Aber ich weiß, wo die nächste Boulangerie ist. Vielleicht bekomme ich da auch Kaffee. Alain hat auch das Frühstücksproblem. Er will zum Intermarché  mit seiner Hoffnung. Während ich gemütlich mit Kaffee und zwei Teilchen auf einer Bank frühstücke, rollert Alain vorbei. Als ich gerade fertig bin, kommt er zurück. Er hat Pech gehabt, und so wird er jetzt auch hier sein Frühstück holen. Ich fahre los, nehme aber nicht den Eurovelo6 sondern die Straße bis Paringy und ab da den Radweg. Die Strecke zieht sich wie Gummi, bald tut mir der Hintern weh. Die letzten zwei Tage lassen grüßen. Zwanzig nach zwölf erreiche ich den Campingplatz in Dole. Die Rezeption ist von zwölf bis zwei geschlossen, der Laden und das Bistro sind es ebenfalls. Es ist heiß. Trotzdem werde ich nicht auf den Platz gelassen. Bis eins warte ich, dann fahre ich weiter bis Orchamps - immer am Kanal entlang. Ich kann bald keine Kanäle mehr sehen. Außer Waser auf der einen und Bäume und Sträucher, die fast keinen Schatten spenden, auf der anderen Seite ist nichts Interessantes zu sehen. Die Strecken des Eurovelo an den Kanälen entlang sind schlichtweg langweilig. Dazu bläst meist der Wind
ganz schön von vorn. Der Campingplatz in Orchamps ist auch nichts. Nicht einmal umzäunt ist er. Der Ort soll laut Karte einen Bahnhof haben, aber nichts ist ausgeschildert. Ich schiebe mein Rad bis zum höchsten Punkt des Ortes und da ist er ja. Eine Stunde muss ich warten, dann geht es zurück nach Dole per Zug und da auf den Campingplatz. Es ist die
richtige Entscheidung. Mit dem Nichtanschauen der Stadt hätte ich etwas verpasst. Sie strotzt nur so von historischen Bauten. Ich bin begeistert. In der Kathedrale, die ich noch kurz vorm Schließen besichtigen kann, setzt gerade Orgelspiel ein - volles Rohr. Um ein Haar falle ich auf die Knie, setze mich und heule Rotz und Wasser. Die Kirche ist eine Wucht. Der Küster gibt mir zu verstehen, dass jetzt abgeschlossen wird. Gemeinsam mit ihm verlasse ich das Gebäude.
Heute habe ich auf meinem Weg wieder zweimal die Spanier getroffen. Alain ist übrigens auch auf dem Campingplatz. Er erzählt mir freudestrahlend wie ein kleiner Junge dass er vorhin im Fluss gebadet hat - gleich hier beim Campingplatz.
Tagebuch schreibe ich heute im Waschmaschinen-Geschirrspül-Raum. Gleich werde ich noch eine Runde drehen.

 

Freitag, 27.07.2018. 2906 – 2916      Von Dole nach Besancon                                            = 9 km
Gestern Abend bin ich noch auf dem Campingplatz bei Karaoke und Wein hängengeblieben. War richtig schön. Habe viel dabei über französische Aussprache kennen gelernt. Neben mir im Zelt hat es zwar geschnarcht, aber nachts habe ich davon nichts mehr mitbekommen. Heute Morgen kann ich mir viel Zeit lassen. Mein Zug geht erst um 10.39 Uhr. Alain lässt sich auch viel Zeit. Als er mir später über den Weg läuft, erfahre ich auch warum. Sein Knie ist geschwollen und er will einen Tag Pause machen. Ich beichte ihm, dass ich für zehn Euro mit dem Zug nach Besancon fahren und dort direkt den Campingplatz ansteuern und dann wieder in die Stadt fahren werde. Wir verabschieden uns voneinander in der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen und dann vollende ich meinen Plan. Ziel ist, den Platz vor zwölf zu erreichen, um nicht wieder vor verschlossener Rezeption zu stehen. Die Abkürzung über die normale Straße erweist sich als Fehlentscheidung, weil es lange Zeit nur bergauf geht. Zehn vor zwölf habe ich es geschafft und ich erwische auch einen schönen Platz. Mein einer Nachbar, der zu Fuß mit einer selbstgebauten Karre unterwegs ist, wohnt in Deutschland in der Nachbarschaft meiner Geburtsstadt. Die Welt ist klein. Wir quatschen erstmal und um zwei mache ich mich endlich zu Fuß und mit der Straßenbahn auf den Weg. Da mich der Weg an der Bootsanlegestele vorbeiführt, kaufe ich ein Ticket und mache eine Rundfahrt mit. Auf dem Oberdeck ist es zwar heiß, aber wir werden ab und zu mit Wasser besprüht als Service. Es geht durch Schleusen und durch den Tunnel unter der Zitadelle hindurch, durch den mich rein theoretisch heute der Eurovelo geführt hätte. So erlebe ich den auch so noch. Anschließend bummele ich durch die Stadt. Es
sind kaum Menschen auf den Straßen und die unterwegs sind, versuchen im Schatten zu bleiben. Es sind 36 Grad. Die Kathedrale will ich mir erst nicht angucken, da ich da bergauf schleichen muss. Ich tu es schließlich doch und es haut mich fast aus den Latschen. Von außen zwar eingerüstet, entpuppt sich die Innenaustattung als überwältigend. Auf dem Rückweg komme ich an einem Riesen-Carrefour vorbei. Dort ist es schön kühl und ich schlendere durch die Regalreihen, kaufe mein Abendbrot und Frühstück ein und etwas für einen kleinen Imbiss direkt nach dem Einkauf. Vor dem Carrefour finde ich eine Bank und ich lasse mir ein Stück Pizza und eine Dose Grimbergen Rouge schmecken.Wieder auf dem Campingplatz sitze ich lange mit meinem Nachbarn im Gras und quatsche über alles Mögliche. Leider nervt später eine Familie, die mit zwei kleinen Kindern angereist ist. Von neun bis elf Uhr abends ist durchgehend Geplärre. Vor allem das Kleinere ist so gut wie gar nicht zu beruhigen und wenn es mal still ist, fängt das andere an. Nach zehn fange ich an, den Mond zu suchen. Heute ist Blutmond, das heißt, es soll auf Grund einer Mondfinsternis ein roter Rand um den Mond sein. Vor den Toren des Platzes entdecke ich ihn, später auch auf dem Platz. Der halbe Campingplatz guckt gespannt dem Schauspiel zu. Um elf krieche ich ins Zelt, lasse aber das Außenzelt noch offen und kann alsbald auf dem Bau liegend die abklingende Mondfinsternis vom Zelt aus beobachten.

 

Samstag, 28.07.2018 2916 – 2980      Von Besancon nach L’Isle-sur-le-Doubs           = 59 km
Im Morgengrauen hat es geregnet. Ich hoffe, dass es bis zum Aufstehen wieder aufhört. HoffentIich werde nicht enttäuscht. Ich räume das Innenzelt leer, hänge es zum Trocknen auf, weil es klamm ist, packe den Rucksack und gehe frühstücken - immer mit Blick zum Himmel. Als ich fertig bin und meinen Müll wegbringen will, fängt es an zu tröpfeln. So gut das mit Flipflops an den Füßen geht, düse ich zu meinem Emplacement, um vor allem das Innenzelt in Sicherheit zu bringen - alles Andere natürlich auch. Das Außenzelt muss ich heute leider leicht feucht verpacken. Wenigstens wird heute auf keinem Meter der Fahrt die Sonne scheinen, so dass das Zelt im Packsack nicht stocken kann. Überhaupt hat es abgekühlt. Es fährt sich sehr angenehm und ich habe endlich mal den Wind im Rücken. Baumes-les-Dames erreiche ich gegen halb eins. In der Capitenerie halte ich Mittagsschmaus und steuere halb vier den Campingplatz in L’Isle-sur-le-Doubs an. Es ist ein Platz voller Verbote. Ich finde einen schönen Platz, der sich später als Fehlgriff erweist. Ein Zelt, was schon dasteht, erweist sich als das einer Freiburger Familie, unweit von mir kommt später noch eine Freiburger Familie, die miteinander befreundet sind. Als ich vom Einkaufen komme, spielen die Kinder unmittelbar bei meinem Zelt über meine Leine mit der Wäsche Federball und eines der Kinder fliegt prompt über meine Zeltschnüre. Ich mache darauf
aufmerksam, dass das nicht sein muss. Im weiteren Verlauf des Nachmittags kommt auch Beschwerde von anderen Campern, weil der Ball an deren Zelt ploppt. Die Eltern sitzen derweil gemütlich zusammen. Ich trau mich inzwischen gar nicht von meinem Zelt weg. Wenn nämlich eines der Gören unglücklich beim Stolpern auf das Gestänge meines
Ultralite-Zeltes fallen sollte, ist es hinüber. Ersatz bekomme ich nicht mehr, da das Zelt nicht mehr im Handel ist. Da  ich ja  aber auch kein Kinderschreck sein will, zeige ich ihnen auf dem Platz eine andere Stelle, wo sie spielen können und trotzdem in Sichtweite zu ihren Eltern sind. Später, als ich die Erwachsenen beim Spülen treffe, erkläre ich ihnen das und sie haben dafür Verständnis. 

 

Sonntag, 29.07.2018. 2980 – 3065   Von L’Isle-sur-le-Doubs  nach Mulhouse             = 78 km
Um 6.30 Uhr habe ich noch keine Lust aufzustehen. Um acht werde ich wach und es ist Nebel. Dieser lichtet sich schnell und die Sonne fängt wieder an zu strahlen. Mist! Heute wird es eine lange Etappe werden, da der nächste Campingplatz ca. 75 km entfernt ist. Bis Montbeliard sind es erstmal 28 km. Dort finde ich einen Hinweis, dass es bis Belfort nur 22
km sind. Dort wäre auch ein Campingplatz. Eine Weile führen der Eurovelo6 und die Veloroute nach Belfort die gleiche Strecke. Ich habe also Zeit zu überlegen und entscheide mich für den EV6. Einige km später ist auch der Hinweis, dass es bis Mulhouse nur noch 44 km sind. Zwischendurch mache ich eine Familie, mit Kindern im Radanhänger dadurch glücklich, dass ich Werkzeug mitführe. Dass gleich dort auch eine Wasserstelle ist, macht wiederum mich glücklich. Bis Altenkirch, das etwas abseits der Strecke liegt und das mein Ziel ist, wären es noch 37 km. Kann mich ja immer noch entscheiden. In Montreux-Chateau knurrt mir gewaltig der Magen, aber das einzige Restaurant, was an der Strecke liegt, macht gerade zu. Ein wenig später mache ich in der Natur an einem schönen Ort Picknick - ein Viertel Baguette
vom Vortag und vier 2cm lange Minisalamis, dazu viel Flüssigkeit und der Blick auf ein herrliches Bilderbuchpanorama. Die Vogesen lassen grüßen in der Ferne. Die Pause hat gut getan. Vor Retzwiller fängt die Schleusentreppe an und ab da geht es endlich bergab. Mir tun die Leute leid, die mir bergauf entgegenkommen Ich verpasse mehrmals Abfahrten nach Altenkirch, so dass ich nun Mulhouse ansteuere. In Illfurth ist eine urige Freiluftgaststätte und ich mache nochmal Pause bei Eis und Schweppes. Die letzten km schaffe ich auch noch. Halb sechs erreiche ich endlich den Campingplatz in Mulhouse - nass geschwitzt mit Salzkrusten auf der Haut, erschöpft aber glücklich, diese lange Etappe hinter mir zu haben. Abends treffe ich dann auf einen Radfahrer namens Joe, der in Palinges mein Zeltnachbar war (der mit dem Radio morgens)  und den ich heute überholt habe. Er hat Nachricht von Alain, dessen Knie es besser geht und der jetzt in Besancon auf dem Campingplatz ist. Also kann ich meine Hoffnung begraben, dass er vielleicht morgen hier eintreffen könnte. Ich muss morgen mal schaun, dass ich Kartenmaterial bekomme für meinen weiteren Weg. In welche Richtung das sein wird, steht in den Sternen. Basel würde mich schon reizen. Übrigens habe ich heute wohl zum letzten Mal die Spanier getroffen. Sie rauschten irgendwo hinter Retzweiler an mir vorbei und fahren nun nach Passau. Ansonsten war die Strecke heute trotz öfterer Kanalfahrten sehenswert. Hohe Bergketten und dann wieder liebliche Landschaften.

 

Montag, 30.07.2018. 3065 – 3085         Ein Tag in Mulhouse                                   = 20 km
Halb sieben werde ich wach - nein, ich habe heute frei, also Schlafbrille auf die Augen und bis acht weitergepennt. In den Sanitäreinrichtungen, wo ich duschen will, gibt es kein warmes Wasser - doof, wenn man schon nackig ist und sich wieder anziehen muss -, also wechsele ich ins andere Duschhaus. Baguette habe ich heute keins, ich werde nachher in der Stadt etwas essen. Meinen Milchkaffee trinke ich in aller Ruhe auf dem Spielplatz, während meine Nachtwäsche und der Schlafsack mal auf der Leine richtig ausmiefen können. Dann wird im Zelt Ordnung gemacht und auch im Rucksack das Zeug sortiert, in dem ich abends im Zelt immer herumwühle und vor dem Schlafen alles reinstopfe, zum einen für den Notfall und zum anderen wegen der Feuchtigkeit. Dann fasse ich mir ein Herz und gebe Jo, dem Mann aus Palinges, meine Handynummer und die Mailadresse mit der Bitte, sie Alain zu schicken. Vielleicht trifft man sich mal in Zukunft wieder. Um zehn starte ich zu Fuß in die Stadt, die erst mittags zum Leben erwacht. Sogar Läden haben offen, was in Frankreich eine Seltenheit ist, da die meisten Läden montags geschlossen bleiben. Im Office de tourism drücke ich mich ewig herum und kaufe mir dort das zweite Kartenset für den Eurovelo 6 – die Strecke Basel bis Budapest -, nehme aber auch eine kostenlose Karte für den Rheinradweg bis Lauterbourg mit. Halb zwei bin ich wieder auf dem Campingplatz, trödele ein wenig herum, schnappe mir mein Fahrrad und fahre zu Leclerc, einem großen Supermarkt in der Nähe. Heute kann ich mir mal Sachen kaufen, die in die Kühlung müssen. Danach mache ich Kartenstudium des neuen Materials. Ich kann mich einfach nicht entscheiden, wie es weitergehen soll. Als ich gerade zur Tankstelle fahren will, um den Reifendruck zu prüfen, trudelt ein deutsches Ehepaar ein, das ich zehn km vor Verdun getroffen hatte. Sie empfehlen mir, ab Saverne den Saar-Radweg zu nehmen. Nun steht mein Entschluss fest. Morgen werde ich einen Trip nach Basel machen und übermorgen dann den Zug nach Straßburg nehmen. Später sitze ich nach dem Abendbrot, bei dem es heute ein kühles Grimbergen Rouge und lecker Käse gibt, mit zwei Mannheimern zusammen, die mich auf ein Bier einladen, und wir quatschen über Touren und unseren Wasserverbrauch - 9 Liter von morgens bis zur Ankunft am frühen Abend! Als sie sich verabschieden, denke ich, ich halluziniere. Alain steht vor mir. Die Freude ist so groß, dass ich ihm um den Hals falle. Er freut sich genauso, versteht aber nicht, was ich sage, weil ich ihn auf deutsch begrüße. Im freudigen Überschwang verliere ich alle Hemmungen und es gibt Bussi rechts, Bussi links, Bussi rechts von mir und ihm. Verwundert fragt Alain: "oh, drei?" Ich hoffe, das bedeutet jetzt nichts Falsches. (Später beim Recherchieren im Internet werde ich beruhigt feststellen, dass es nichts Schlimmes bedeutet, wenn man dreimal busselt.) Wir lassen die letzten Tage Revue passieren, er ist heute hundert km mit seinem Roller gefahren - für ihn eine selten lange Strecke - aber weil er wusste, dass er mich treffen würde, hat er die Strapazen auf sich genommen. Ich bin gerührt. Gemeinsam beraten wir die weitere Route. Er macht morgen erstmal Pause und ich bin in Basel. Abends werden wir uns wieder in Mulhouse treffen und am Mittwoch in Straßburg.

 

Dienstag, 31.07.2018. 3085 – 3135      Mulhouse – Basel - Mulhouse                                 = 45 km
Gestern war es noch lange laut, da eine polnische Jugendgruppe ihren letzten Tag hier hatte.
Heute Morgen bin schon zeitig wach, bleibe aber noch bis halb acht im Zelt. Das Frühstück halte ich gemeinsam mit Alain, wir begrüßen uns erstmalig mit Küsschen rechts und Küsschen links. Er wird heute Mulhouse unsicher machen, ich werde nach Basel radeln. Ich empfehle ihm, auf alle Fälle die Touristinformation aufzusuchen, weil man da viel Infomaterial , bequeme Sofas und Internet hat. Es ist wie immer schon morgens strahlender Sonnenschein und wie immer geht es endlos an einem Kanal entlang. Kurz vor Basel überquere ich die Dreiländerbrücke, fahre fünf Minuten durch Deutschland und passiere dann die Grenze zur Schweiz. Dahinter ist auch schon das Ortseingangsschild von Basel. Dort verliere ich wegen fehlender Ausschilderung den EV6, was aber auch egal ist, da ich mir ja die Stadt angucken will. Ich schlage mich zum Rhein durch und liege damit genau richtig. Was ich da sehe, verschlägt mir fast die Sprache. Groß und Klein schwimmt im Rhein, lässt sich von der Strömung treiben, überholt von einem Lastkahn und alle ausgestattet mit einem gefüllten Wickelfisch - das ist ein wasserfester Sack, in dem man seine Sachen immer am Mann hat. Ich finde das sehr praktisch, denn wenn man mit der Strömung schwimmt, kann man überall an Land gehen und hat seine Sachen dabei.
Auf dem Markt esse ich Flammkuchen. Da dieser verbrannt ist an den Rändern, bekomme ich ihn für ein Drittel des Preises. Die Stadt ist ein buntes Sammelsurium an alten Prunkgebäuden, aber auch Fachwerkhäusern. Es ist ziemlich viel Straßenbahn- und Busverkehr. Nach zwei Stunden schlage ich den Weg zum französischen Bahnhof ein und
suche dort verzweifelt den Bahnsteig 31. Da wo ich bin, gibt es nur 1 - 17. Ich frage, und werde aus dem Bahnhof heraus 100 oder 150 Meter weiter geschickt. Dort gibt es auch einen Extraautomaten, an dem ich Tickets für den TER nach Frankreich buchen kann. Wieder in Mulhouse geht es auf dem Campingplatz erstmal in den Swimmingpool und danach zu Fuß nochmal in die Stadt. Dort probiere ich in einem Laden zwei Kleider an - eines davon behalte ich gleich an. Ich kaufe mir einen alkoholfreien Mochito. Der tut gut. Als ich gegen halb sieben auf dem Platz eintrudele, sitzt Alain im überdachten Essbereich. Ich habe schon vor ein paar Stunden zwei Büchsen Grimbergen Rouge kalt gestellt, die Alain mit mir heute trinken soll. Er freut sich riesig über das kühle erfrischende Bier, denn er hatte sich vorher ein kleines Fläschchen lauwarmes Bier vom Imbisswagen geholt. Wir quatschen, essen nebenbei Abendbrot und dann bekomme ich noch einen Crepe mit Schokolade spendiert. Nach acht trennen wir uns, ich hole meine Sachen von der Leine, denn es sieht
gewaltig nach Gewitter heute Nacht aus, und schreibe Tagebuch.

 

Mittwoch, 01.08.2018. 3135 – 3193        Von Mulhouse nach Saverne                  = 52 km
Die Nacht war so warm, dass ich nicht mal die Füße in den Schlafsack gesteckt habe und auch kein Kondenswasser im Zelt ist. Es ist halb sieben und ich fange an zu packen. Um acht Uhr gehe ich zum Frühstücken in den Aufenthaltsbereich, um Alain zu treffen. Er fragt mich nochmals nach dem Fahrkartenkauf am Automaten, ich zeige ihm meine bereits
gekaufte Fahrkarte und er tut so, als wöllte er sie einstecken. Ich grinse nur und tu im Gegenzug so, als wöllte ich ihm die Luft aus den Reifen seines Gefährts lassen, das neben mir steht. Wir lachen kräftig. Alain will den Zug um 8.46 Uhr nehmen, ich habe den um 9.16 Uhr im Visier oder noch eine halbe Stunde später. Nur keinen Stress, ich habe Urlaub. Ich starte tatsächlich um neun zum Bahnhof, fahre nach Straßburg und brauche dort eine Stunde, bis ich endlich den Eorovelo 5 gefunden habe. Vorher lande ich vor einer Schranke, die die Einfahrt zum Europaparlament absperrt. Ich fahre ein Stück zurück, frage jemanden und der weist mir eine Richtung und ich soll dann nochmal fragen. Ich mache das erste, begegne einer Gruppe deutscher Männer meines Alters auf Velos, kehre wieder um, fahre ihnen hinterher und frage sie an der nächsten Ampel. Die wissen es auch nicht, da sie woanders hinwollen, aber ich nehme einfach erstmal die gleiche Route. Nur erstmal raus aus der Stadt. Irgendwann kreuzt der EV5 und ich kann endlich in Richtung Saverne fahren. Es geht wieder nur am Kanal entlang, diesmal ist es der Canal de la Marne au Rhin. Nach einer Weile fängt es an zu nieseln, ich versehe nur den Rucksack, die Lenker- und die Stangentasche mit einem Regenschutz. Einige Minuten später ziehe ich jetzt zu Beginn der vierten Tourwoche die Regenjacke erstmalig an. Nach zehn Minuten hört der Regen auf, die Sonne schaut ab und zu hinter den Wolken hervor und ich ziehe die Jacke wieder aus. Der Wind bläst heute gewaltig von vorn. Es ist ein kräftezehrendes Fahren. In Hochfelden will ich gerade mein Baguette auspacken, da fällt mein Blick auf ein Restaurant. Ich wechsle dorthin und bekomme einen Grillteller mit 2 Würsten und Hähnchenfleisch mit Curry frisch auf dem Grill zubereitet dazu Pommes. Ist das lecker! Nach fast einer Stunde Rast, in der ich fliegende Sonnenschirme gesehen habe, fahre ich weiter. Kurz vor Saverne fängt es wieder an zu regnen. Ich warte den Schauer unter einer Brücke zusammen mit anderen Radwanderern ab und fahre sofort weiter, als es nachlässt. Der Campingplatz ist oben auf dem Berg, zu Fuß 25 Minuten. Es regnet wieder stärker und während ich einchecke und nach einem wettergeschützten Platz für das Zelt suche, öffnet der Himmel alle Schleusen, sodass jetzt auch der Untergrund richtig nass ist. In mir reift ein Entschluss, während ich unter einem Biwak stehe. Ich werde fragen, ob ich umbuchen kann. Es geht und ich werde in einem Biwak - das ist ein Zelt auf Stelzen, wo unter dem Zelt noch ein Essplatz ist. Ich hoffe nur, dass ich von Ameisen und Mücken verschont bleibe. Vorsichtshalber sprühe ich den Boden mit Insektentötolin aus. Nach meinem Einzug gehe ich hinunter in die Stadt, auf dem Platz habe ich nirgends Alain sichten können - vielleicht ist er weitergefahren.
Saverne ist eine Stadt mit kleinen und großen schön verzierten Häusern, einem Hafen für Bootswanderer und einem Chateau. Mir gefällt es hier. Als ich zwischen halb und um acht wieder bei meinem Biwak bin, hat jemand anders sein Handtuch und andere Sachen über die Leitersprossen nach oben gehängt. Ich hänge die Sachen weg, gucke herum und sehe Alain auf mich zukommen. Ich gehe auch auf ihn zu und er fragt mich, wann ich angekommen sei. Ich sage halb vier und er wundert sich, wie das sein kann, denn dann müsste ich ihn ja überholt haben. Ich bitte ihn zu meinem Biwak, um sitzend weiterzuquasseln, und gucke nicht schlecht, weil die umgehängte Wäsche wieder auf der Leiter hängt. Der Übeltäter ist schnell ermittelt. Ich sage ihm, dass ich den Biwak gemietet habe. Brummelnd holt er seine Sachen ab und Alain und ich erörtern weiter, wie es uns ergangen ist. Er hat, obwohl er sich eine Wegbeschreibung aus dem Internet gezogen hatte, zwei Stunden aus Straßburg heraus gebraucht, ist dadurch natürlich voll in das Unwetter gekommen und
musste wegen des starken Gegenwindes oft schieben. Dadurch ist er erst eineinhalb Stunden nach mir angekommen. Er lädt mich auf ein Eis ein und wir wissen beide, dass sich morgen unsere Wege trennen werden. Er fährt in Richtung Nancy, ich fahre in Richtung Saarbrücken. Vielleicht treffen wir im nächsten Jahr wieder aufeinander bei der Fortsetzung
des Eurovelos 6 ab Basel. Morgen früh wollen wir uns auf alle Fälle verabschieden. Was ich lustig finde ist, dass er mir die gleichen Äpfel anbietetet, die auch ich unbterwegs von den am Rand stehenden Apfelbäumen gepflückt habe - hart und sauer. Ich zeige ihm meine, und wir müssen beide herzhaft lachen.

 

Donnerstag, 02.08.2018. 3193 – 3286     Von Saverne nach Mittersheim                  = 90 km
Die Nacht in meinem Biwak war gut - der Nachteil ist, das man nachts wenn die Blase drückt die Leiter runtersteigen muss. Halb sieben werde ich wach, stehe auch auf und gehe duschen. Als ich zurückkomme, wartet schon Alain auf mich an meinem Biwak. Er will sich wie versprochen verabschieden. Wir liegen uns längere Zeit in den Armen und ich schaue
ihm mit Tränen in den Augen hinterher. Es war eine schöne Zeit, in der wir uns immer wieder verloren und fanden. Ich selbst starte zwanzig vor neun. Es ist noch schön kühl und ich fahre noch dazu im Schatten. Es geht weiter Kanalaufwärts, aber man merkt die Steigung kaum. In Arzviller geht es dann aber ordentlich einen Berg hinauf - dafür rollt es bis Niderviller nur noch. Und wer steht da am Ortsausgang und winkt mir zu? Alain, der gerade Pause macht. Ich brauche auch ein Päuschen und wir quatschen und erörtern nochmal auf der Karte, wo sich unsere Routen endgültig trennen werden. Wir drücken uns ein letztes Mal, da ich ihm heute wirklich nicht mehr begegnen werde. Bis Gondrexange komme ich ganz gut, folge weiter dem EV5 und merke nach einigen km, dass ich nicht wirklich weiß, wohin ich fahre.
Irgendwann endet der Radweg und ich beschließe, nach Gondrexange zurückzufahren und dort auf dem Campingplatz einzuchecken. Kurz bevor ich dort ankomme, an der Stelle, wo zwei Kanäle aufeinander treffen, sehe ich eine hohe Brücke, die eher aussieht wie eine Fußgängerbrücke und auf jeder Seite zwei steile Treppen hat. Bei näherem Betrachten
erweist sie sich auch als Fahrradbrücke, da seitlich eine Schiene angbracht ist, in der man das Fahrrad schieben kann. Das konnte ich vorhin leider nicht sehen aus der Richtung, aus der ich kam. Ich überlege kurz die Brücke zu überqueren. Das bedeutet aber auch noch etliche km zu fahren. Nach wenigen km fangen die Schleusen an und es geht Kanal abwärts, aber was nutzt das, wenn man weiß, wie weit es bis zun nächsten Ort ist, nicht weiß, ob es dort einen Campingplatz gibt, man ständig Wasser des Kanals oder von Seen sieht, aber selbst kaum noch was zu trinken hat. Unterwegs kommt mir ein Radfahrer entgegen und fragt mich, ob es irgendwo eine Bar gibt, weil er auch sehr durstig ist. Gibt es natürlich nciht - man müsste den Radweg verlassen und in die Orte reinfahren. Mittlerweile nehme ich immer nur noch einen Schluck und lasse diesen eine Weile im Mund, bevor ich ihn runterschlucke. Endlich erreiche ich Mittersheim, das genau auf der anderen Seite eines großen Sees liegt und es sieht aus, als könnte man dort campen. Ich wage es abzubiegen und werde belohnt mit einem Hinweisschild zum Campingplatz. Auf dem Weg ist auch noch eine Boulangerie, wo es auch Wasser gibt und noch im Laden trinke ich einen halben Liter auf Ex. Der Campingplatz ist riesig, aber für Zeltende gibt es nur ein ganz kleines Areal direkt an der Einfahrt. Ich installiere mich, dusche, wasche Wäsche und fahre kurz einkaufen und verdrücke dann an einem der Platzbistros eine große Portion Frites und zwei Glas kühles Bier vom Hahn. Das tut gut. Danach drehe ich eine große Runde um den Platz, quatsche mit einem meiner Zeltnachbarn und seiner Tochter, schnappe mir mein Tablet und gehe runter an den See, um Tagebuch zu schreiben. Selbst als es schon dunkel ist, wird immer noch gebadet.

 

Freitag, 03.8.2018. 3286 – 3356      Von Mittersheim nach Sarreguemines                 = 63 km
Gestern Abend um elf kam tatsächlich noch ein holländisches Radfahrerpaar an und fing an mit Zeltaufbau mit lauten Zurufen und Riesengeschepper. Überall war es still, nur bei uns war Radau. Dafür krochen sie morgens als letzte aus den Zelten. Ich starte gegen neun, der Weg zieht sich wie Gummi bis Sarreguemines immer am Kanal entlang, viele Schleusen, viel Sonne, viel Wind und viel Durst. Im Ort gibt es keinen Campingplatz, aber dafür 3,5 km weiter in Neufgrange. Die letzten hundert Meter ist noch ein ordentlicher Anstieg, dann stehe ich vor verschlossener Rezeption. Ich darf klingeln und dann 45 Minuten warten, dann empfängt mich eine sehr nette aufgeweckte Frau. Die Emplacements für die Zelter sind am Ende des Platzes und bis dahin sind es achthundert Meter. Ich bau mein Zelt auf und fahre dann vor zum Imbiss, wo es einen Riesencrepe gibt für gerademal 2,50 €. Danach fahre ich in die Stadt, um sie zu besichtigen und Inspiration für meine weitere Reise zu bekommen. Oberstes Ziel ist es, herauszufinden, wo ich mich im Verhältnis zu
Deutschland gesehen momentan befinde. In einem Supermarkt werde ich fündig auf einer Karte, in der auch das deutsche Umfeld eingezeichnet ist. Aha, ich befinde mich ungefähr auf Höhe Mannheim, wenn ich mich am Rhein orientiere. Nach nochmaligem Kartenstudium auf dem Platz steht fest, dass es morgen für mich mit dem Rad bis Saarbrücken geht, von dort mit dem Zug nach Worms und von dort mit dem Rad auf den Campinplatz in Biblis.
Kurze Zeit darauf spreche ich mit einem gerade ankommenden Ehepaar, die soeben die Route umgekehrt genommen haben. Später, nachdem ich mir noch einen Crepe genehmigt habe, sitzen wir zusammen und ich erzähle ihnen eine Menge über den Loire-Radweg und Eurovelo 6. Die Erkundung der Loire haben sie schon lange auf dem Plan und sind mir sehr dankbar, einen Erfahrungsbericht zu hören. Auf dem Zelterareal sind wir nur ganze vier Mietparteien, obwohl der bestimmt für hundert ausgelegt ist. Der Platz liegt insgesamt an einem kleinen See und jetzt gegen elf Uhr abends schwappt angenehme Kühle über das Gelände. Das tut gut nach der Hitze.

 

Samstag, 04.08.2018. 3356 – 3399     Von Sarreguemines nach Worms                    =  39 km
Die Nacht war so etwas von ruhig. Halb sieben werde ich kurz wach, das nächste Mal ist es fast acht. Kein Wölkchen am Himmel und die Sonne knallt schon fleißig ihre Strahlen vom Himmel runter. Beim Packen überlege ich, ob ich nicht noch eine Nacht bleibe. Ich quatsche noch ein wenig mit dem deutschen Ehepaar, das leider heute weiterfährt. Wir hätten noch
viel quasseln können - ihre Berufe sind die gleichen wie bei mir und meinem nicht mehr lebenden Lebensgefährten. Ich entscheide mich für die Fortsetzung meiner Reise. Wie geplant geht es per Rad nach Saarbrücken und mit dem Zug nach Worms. Im Zug werde ich mehr als eineinhalb Stunden tiefgekühlt, was sich bessert, nachdem ich in Mannheim
umgestiegen bin. In Worms ist es kochend heiß, sodass ich mir eine große Stadtbesichtigung spare und schnell den Rheinradweg suche. Alsbald schwitze ich tierisch und ich habe ständig Durst, weil auch die Luft so trocken ist und der Radweg weitgehend ohne Schatten entlang von Feldern verläuft. Ich will nur bis zum Campingplatz bei Biblis, doch der ist
ausgebucht, weil eine tschechische Busreisen-Reisegruppe angekommen ist. Das habe ich am Loireradweg oder auch sonst in Frankreich nie erlebt, dass Radwanderer abgewiesen worden sind. Es fand sich immer noch ein Plätzchen. Hier in Deutschland muss man am besten vorbuchen, nur dass ja immer was passieren kann. Ich werde weitergeschickt und lande in Biblis. Auf einer Informationstafel sind außer dem einen noch zwei weitere eingezeichnet. Der eine ist für Dauercamper, der andere ist eigentlich ein Strandbad, vor dessen Schranke ich vor einigen Minuten schon einmal stand. Dort kann man auch zelten. Ich bin froh, dass ich was für die Nacht gefunden habe. Praktisch ist, dass man auch im See baden kann und vor allem gibt es einen kleinen FKK-Bereich, den ich natürlich aufsuche und in dem sich alle duzen. Ich bin die Attraktion, als ich mich ausgepellt habe. “du musst dich ja zweimal ausziehen“, höre ich. Im Wasser werde ich auch
angesprochen - ich gehöre gleich mit dazu. Ich finde das wunderbar und genauso finde ich es super, nach der Hitze abends halb acht im See zu schwimmen. In der Strandbar genehmige ich mir anschließend beim Tagebuch schreiben erst ein Grapefruitweizenbier und dann eine Roséschorle, weil die mit Eiswürfeln ist. Dazu lümmele ich auf so einem
geflochtenen dunkelbraunen Plastiksofa mit Auflagen, die viele Leue auf ihren Terrassen stehen haben. In den nächsten Tagen soll die Hitze immer noch anhalten, sodass ich sehen muss, dass ich möglichst zeitig aufstehe und aufs Rad komme.

 

Sonntag, 05.08.2018. 3399 – 3469       Von Biblis nach Mainz                   = 63 km
Wider Erwarten war selbst auf diesem Platz ab elf Uhr Ruhe. Ich wache um sechs Uhr auf und fange gleich an zu packen. Häschen hoppeln auf der Wiese herum und die Gemeinschaft der Ameisen schläft auch noch. Trotzdem hole ich mir
zwei Stühle vom Strand. Um acht Uhr fahre ich los. Es wird eine langweilige anstrengende Tour, weil der Wind die ganze Zeit bei strahlendem Sonnenschein von vorn bläst und man am Rheinradweg vom Rhein zumindest rechtsrheinisch nichts sieht. Nach 70 km erreiche ich um zwei den Campingplatz in Mainz-Kastel, muss eine Stunde warten, werde aber belohnt
und kann auf den Platz. Auf der anderen Seite des Flusses gucke ich genau auf den Mainzer Dom. Die nächste Brücke ist ziemlich weit entfernt und ich bin fix und fertig. Außerdem habe ich Appetit auf Kuchen, aber der ist im Platzbistro nicht zu bekommen. So trinke ich ein Weizen und futtere eine kleine Packung Waffeln. Leicht beschwipst schlurfe ich langsam in Richtung Brücke und von da in die Stadt. Der Dom ist überwältigend und auch sonst erfährt man in den Straßen viel zur Geschichte von Mainz. Ich bin froh, dass ich mir die Stadt doch angeschaut habe. Ich esse einen sehr trockenen Döner und kehre schön langsam zurück zum Platz und trinke dort noch was im Bistro. Eigentlich will ich ja Tagebuch schreiben, aber einer der Camper spricht mich an. Ich biete ihm an, dass er sich zu mir setzen kann, und wir quatschen bis weit nach elf über Reisen und Gott und die Welt.

 

Montag, 06.08.2018. 3469 – 3536      Von Mainz nach St. Goar                      = 57 km
Werde schon einmal in der Morgendämmerung wach und über mir herrscht schon ganz schöner Flugverkehr. Frankfurt ist nicht weit entfernt. Das nächste Mal ist es gegen sieben Uhr, ein Paar ist schon weg. Ich starte Viertel vor neun. Ich brauche ewig, bis ich endlich endgültig aus Mainz heraus bin. Dann ist der Weg heute wesentlich angenehmer als der von gestern. Ich fahre heute linksrheinisch. Man sieht viel Rhein, fährt größtenteils im Schatten und wird mit wunderschönen Aussichten belohnt. In Bingen mache ich eine längere Rast und auf dem Weg nach St. Goar habe ich den Eindruck, in eine Modelleisenbahnanlage geraten zu sein. Ja auch in Deutschland ist es schön. Der Campingplatz in St. Goar ist mit Blick auf die Lorelei und St. Goarhausen und ich kann mein Zelt überall aufstellen. Ich finde ein schattiges Plätzchen, baue auf und laufe in den Ort. Dort setze ich mit der Fähre über nach St. Goarhausen und laufe bis auf Höhe der
Lorelei. Zu mehr habe ich keine Lust. Da ich mich erinnere, dass vor siebzehn Jahren mir damals jemand ein Gässchen gezeigt hat, dass damals brechend voll von Menschen war, fliehe ich vor der Sonne dorthin, dass heute menschenleer ist. Somit habe ich Ruhe, diese historische Altstadt anzusehen und auf mich wirken zu lassen. Danach setze ich wieder über nach St. Goar und speise in einem Restaurant. Wirklich satt bin ich nach dem Schnitzel mit Bratkartoffeln nicht. Ich kehre zum Campingplatz zurück, drehe dort eine große Runde und beschließe ins Restaurant zu gehen, dass sich gegenüber des Platzes befindet, und mir Eis und Weinschorle zu genehmigen. Dabei lässt es sich gut Tagebuch schreiben.

 

Dienstag, 07.08.2018. 3536 – 3622    Von St. Goar nach Remagen                         = 78 km
Für das Übernachten in St. Goar braucht man einen guten Schlaf. Links und rechts des Rheins verlaufen Eisenbahngleise, auf denen auch nachts die Züge langdonnern. Der Fluss verläuft dort in einer engen Schleife, so dass sich begegnende Schiffe ganz schön zu tun haben und eines erstmal laut die Motoren stoppen lassen muss. Dazu führt auch noch die Straße unmittelbar am Platz entlang und der Rhein hat Niedrigwasser.  Ich bin so erschossen, dass ich auch dank meiner Ohrstöpsel und der sonstigen Ruhe süß und selig schlummere. Über Nacht kühlt es auch glücklicherweise so ab, dass ich mich zudecken muss. Das Außenzelt hatte ich glücklicherweise halboffen gelassen.
Viertel vor sieben werde ich wach, um 8 Uhr stehe ich an der Rezeption um meine bestellten Rosinenbrötchen abzuholen, zu essen und einen Kaffee zu trinken, halb neun lege ich ab und bin und bin kurz nach elf in Koblenz. Am Deutschen Eck esse ich eine Bratwurst und ein Matjesbrötchen, dann geht es weiter über Andernach in Richtung Bad Breisig, wo ich übernachten will. Ich fahre weiter rechtsrheinisch. In Urmitz macht mich eine einheimische Frau auf eine Wasserstelle aufmerksam, was ich sehr nett finde, da mein Flüssigkeitsverbrauch sehr hoch ist und kurz vor Bad Breising bietet die Firma Brohler allen Rad- und Fußwanderern ein Gratisgetränk an. Andere Radwanderer machen mich auf dieses Angebot aufmerksam. Den Campingplatz habe ich verpasst. Der liegt ca. drei km zurück. Gut, fahre ich jetzt noch die zehn km bis zum nächsten nach Remagen, der Stadt mit der geschichtsträchtigen Brücke. Ein netter Herr, der den Schlüssel zu einem der Hintereingänge hat, lässt mich mit rein, so dass ich mir einige hundert Meter spare. Reicht auch heute. Zeltaufbau, Wäsche waschen, Stadt angucken. Ein ausgiebiges gutes Abendessen genehmige ich mir im Platzrestaurant.

 

Mittwoch, 08.08.2018                               von Remagen nach Köln                                = 64 km
Die Nacht war nicht so toll. Zwei Grüppchen holländische junge Leute, die im Wandererbereich platziert worden sind,
nehmen absolut keine Rücksicht. Halb zwölf nachts ziehe ich samt Zelt in einen ruhigeren Bereich. Eine kluge Entscheidung. Alle anderen erzählen mir, dass der Lärm noch Stunden ging. Ich hingegen hatte nur ein Problem: wie kriege ich ohne Hämmern die Häringe in den knochenharten Boden? Ich versuchte sie soweit nur mit der Kraft meiner Hände in das Erdreich zu drehen, was zur Folge hat, dass ich heute Morgen eine riesige offene Blase in der
Handinnenfläche  habe. Das Zelt ließ sich schlecht spannen. So liederlich war es noch nie aufgebaut. Ich schlafe trotz der Ruhe schlecht. Dazu warte ich auf die angekündigten Gewitter, es ist furchtbar warm und Abkühlung tut not. In der Morgendämmerung bis gegen 7 Uhr regnet es immer mal wieder ein bisschen. Mein Zelt kann ich später trocken verpacken. Ein wenig hat es abgekühlt. Um acht lege ich ab, Frühstück gibt es unterwegs in einem Café. Bis Bonn ist
die Umgebung noch sehenswert, dann beginnen die Industrieanlagen, die bis an den Rhein gebaut sind und dadurch große Umleitungen bedingen. Besser wird es nach Köln-Wesseling. Da der Wind inzwischen gedreht hat, beschließe ich, noch bis Köln Hauptbahnhof zu fahren und dort den Zug nach Düsseldorf-Benrath zu nehmen. Außerdem kann ich kaum noch zufassen, da die offene Stelle in meiner Handinnenfläche trotz Pflasters kann schön schmerzt. Den Rheinradweg zwischen Köln und Xanten kenne ich zur Genüge – auch deswegen kann in Köln Schluss sein. 14.24 Uhr komme ich in Köln an, 14.31 Uhr fährt pünktlich mein Zug, 15 Uhr bin ich daheim und 15.10 Uhr sitze ich in der Badewanne. Wow! So sauber kann ich aussehen! Am nächsten Tag werde ich erfahren, dass am Vortag ab 15.20 Uhr mein Heimatbahnhof
gesperrt worden ist. Hätte ich den Zug verpasst, wären noch 12 km Radweg durch Düsseldorf vor mir gelegen. Glück gehabt! Von Alain finde ich in meiner Mailbox eine Nachricht, dass auch er sich um Gondrexange herum fürchterlich verfahren und den Weg nach Nancy nicht gefunden hat.


Insgesamt bin ich 1544 km gefahren. Dazu kommen etliche Kilometer zu Fuß, weil ich meist am  Zielort nicht mehr Willens war, nochmal auf’s Rad zu steigen. Wenigstens bin ich diesmal nicht unfreiwillig vom Rad abgegangen und Plomben und Zähne sind auch noch vollständig da.

Die Tour in diesem Jahr war die Hölle - fast nur Sonne und Hitze, dazu meist Gegenwind und keinen Schatten.

Aber schön war's trotzdem und ich freu mich schon auf's nächste Jahr.
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