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Dies ist das Tagebuch meiner ersten großen Urlaubsreise ganz allein - ohne Kinder und ohne Partner.

Ich wusste nicht, wie das werden würde, bin aber froh, die Reise gemacht zu haben.

Die Momente der Freude waren viel stärker als die der Erinnerung und des Schmerzes.

Und es war ein gelungener Abschluss meines Trauerjahres.

 

Dass ich mich nie einsam gefühlt habe, lag sicher auch an einem selbst auferlegten strukturierten Tagesablauf.

 

9 Uhr Tagesbeginn mit Frühstück, Planung und Morgentoilette

ab 10.30 Uhr Start zur Tour

ab 18 Uhr Heimkehr

19 Uhr Abendbrot und Kartenstudium

20.30 Uhr Tagebuch schreiben

21 Uhr Fotos gucken und nicht gelungene löschen

22 Uhr Fernsehen mit Schoki und Wein

ab 23.30 Uhr Nachtruhe

 

Ich hatte kein Unterhaltungsspielzeug wie Smartphone oder Tablet oder Laptop dabei, dafür meine Spiegelreflexkamera (zwar sehr raumeinnehmend im Rucksack, aber dafür nahm die Funktionskleidung wenig Platz weg), meinen Franklin ET-3115 (ladenneu, mit dessen Funktionen ich mich erstmal ausgiebig beschäftigen musste), mein Garmin Oregon 450t (das ein Ladeproblem hatte und damit nicht eingesetzt wurde), ein Buch mit schwierigen Sudokus und ein mehrere Jahre altes Handy, das außer simsen nichts kann.

 

 

Montag, 22.09.2014

Das große Abenteuer beginnt. Ausgestattet mit Rucksack und Faltrad und fast ohne französische Sprachkenntnisse (ich kann Baguette kaufen und könnte mich auf einem Campingplatz einloggen)  nehme ich wohlweislich die S-Bahn von Düsseldorf nach Köln - mein Glück, die Regionalexpresse werden viel Verspätung haben. Ich hole mir nur noch ein Brötchen und einen Kaffee und warte in Köln auf den Thalys nach Paris. Pünktlich setzt der sich in Bewegung mit mir in der ersten Klasse. Man gönnt sich ja sonst nichts.Dort werde ich in den nächsten drei Stunden gründlich verwöhnt. Ständig gibt es zu futtern und zu trinken - kostenlos. Das hätte ich mal eher wissen sollen, dann hätte ich mir mein Frühstück in Köln sparen können. In Paris kommen wir mit Verpätung an, aber ich habe zwei Stunden Zeit eingeplant gehabt zum Bahnhofs- und Zugwechsel. Da ich im Mai schonmal Metrofahren in Paris geübt habe, ist es für mich keine Hürde, von Nord nach Montparnasse zu kommen. Bis ich dort dann allerdings bis zu meinem Bahnsteig gelaufen bin, vergehen gefühlte 10 km. Im Zug nach Morlaix ist eine ältere Französin mein Gegenüber. Ständig latscht sie mir auf die Füße bzw. knallt sie mir den Abfallbehälter gegen die Knie - alles ohne Entschuldigung. Auf der anderen Seite des Ganges sitzt eine schwäbische Familie - Oma, Opa, Mama, Papa, Kleinkind - und machen Krach als wäre Karneval. Der leiseste ist das Kind. Ich schäme mich für sie, alle anderen im Waggon sind leise. Ich höre Musik und schaue die ganze Zeit aus dem Fenster. Irgendwann kommt vertraute Gegend und mit ihr die Tränen. Erinnerungen werden wach, aber das wusste ich vorher. In Morlaix allerdings steige ich aus dem Zug, strecke die Arme in die Luft und lache. Ich bin fast da. Dem Taxifahrer, der mich nach Le Cloitre St. Thegonnec bringen wird, verklickere ich irgendwie, wo ich hinwill und was ich zu zahlen bereit bin. Ich hatte noch in Deutschland die Preise gegoogelt und habe einen Ausdruck dabei.Und dann stehe ich endlich vor meinem Häuschen und freu mich. Schnell stelle ich mein Gepäck hinein und dann zieht es mich hinaus in die Natur. Ist das eine Ruhe ! ...und so schön alles. Gelb leuchtet mich der Stechginster an und dunkel strahlen mir die Brombeeren entgegegen, die zuckersüß und groß sind. Ein kleiner Junge radelt an mir vorbei und spricht mich auf französich an. Als er merkt, dass ich ihn nicht verstehe, probiert er es doch tatsächlich auf englisch und strahlt, weil ich ihn verstehe. Wieder im Haus widme ich mich dem Kartenstudium und den Leckereien, die mir meine Vermieterin als Willkommensgruß hingestellt hat - bretonische Crepes, selbstgemachte Stachelbeerkonfitüre und bretonischer Cidre. Das kommt mir sehr gelegen, weil ich nicht zu essen habe. Als ich aus dem Fenster im Obergeschoss gucke, bemerke ich den herrlichen Sonnenuntergang. Also nichts wie nochmal los - diesmal mit Kamera. Danach wird noch das Garmin programmiert für den nächsten Tag und Tagebuch geschrieben.

Bemerkung: Im Thalys in der ersten Klasse fühlte ich mich in meinem rustikalen Outfit echt underdressed zwischen den vielen Anzugträgern, deren Ziel am Montagmorgen Brüssel oder Paris war..

 

Dienstag, 23.09.2014.....52 km

Die Nacht endet das erste Mal um ein Uhr, weil ab da ein Hund mit Stimmbruch nichts Besseres zu tun hat, als dauernd zu bellen.So vergeht eine Stunde mit Probeschlafen in sämtlichen Räumen, bis ich das passende Zimmer gefunden habe, in dem man ihn am wenigsten hört. Zum Frühstück gibt es Instantkaffee, den ich im Schrank gefunden habe und zwei Crepes mit Konfitüre. Nebenher mache ich mein Rad verkehrstauglich, wobei sich die Hightechluftpumpe als Fehlkauf erweist, da ich hinterher weniger Luft auf dem Reifen habe, und packe meinen Rucksack um, da ich heute einkaufen will. Ich fahre los mit einer Übersichtskarte im Gepäck, in der leider die am Wegesrand ausgewiesenen Orte nicht verzeichnet sind. Irgendwann lande ich in Le Cloitre, dem Hauptort (ich wohne ja 2 km außerhalb in Quillien) und komme ausgerechet an einer Autowerkstatt heraus. Mein Fahrrad hat Autoventile und so spaziere ich lächelnd zu einem der jungen Monteure, zeige auf die Reifen, mache eine Pumpbewegung mit der Hand und werde verstanden. Klasse, jetzt habe ich den richtigen Druck auf den Pneus und es rollt viel besser. Ich fahre weiter und bin plötzlich an einer Stelle, wo ich heute schon einmal war. Nunja, weiß ich das jetzt auch. Dann geht's lange bergab. Mit Unbehagen denke ich an die Rückfahrt. Ich erreiche Pleyber-Christ und anschließend St. Thegonnec - mein Ziel. Ich bin wie schon vor acht Jahren beeindruckt von Kirche und Calvarienberg. Eigentlich würde ich gern noch zwei andere anpeilen, fahre auch los und ändere meine Route. Ich könnte doch nach Morlaix fahren - einkaufen und schöne Kuchen essen. Ist ja auch ausgeschildert - allerdings nicht, dass es sich um die Route Nationale handelt, eine Art Autobahn. Der Blick auf die Karte verrät, dass ich nach Pleyber-Christ zurück muss. Ich habe Hunger und Durst, der Supermarkt hat mittags zu und vor mir liegt ein Berg. Ich steige ab und schiebe und siehe da, ich erblicke Massen an dicken reifen Brombeeren. Vitamine, Hunger- und Durstlöscher in einem - optimal! In P.-C. sind es nochmal 2 km bis zum Super-U. Ich kaufe ein, was man so braucht. Yeah - ist der Rucksack auf einmal schwer. Und vor mir liegen noch 10 km , davon 8 bergauf. Ich schaffe es, fast die ganze Zeit zu fahren, schließlich habe ich gerade gedopt - ein Schoko-Eclair und 'ne Büchse Limo. Mir kommt der Gedanke an meinen großen Traum, den Mont Ventoux mit dem Rad zu bezwingen. Das beflügelt mich und so komme ich erschöpft aber fahrend im Quartier an. Alles wird verstaut . hier und da schonmal genascht. Was nun? Es ist erst halbsechs und so fahre ich nochmal auf Erkundungs- und Fototour. Viele Wege führen nach Rom - und auch nach Le Cloitre, wie ich feststelle. Sämtliche Gassen werden von mir erforscht, dann geht es zurück nach Quillien und von dort aus in eine weitere unbekannte Richtung. Aha! Es gibt auch weitere Wege, wo man nicht so klettern muss mit dem Rad. Gut für morgen - da will ich vielleicht bis zur Küste fahren.

Bemerkung: 1. So bergig hatte ich die Bretagne nicht in Erinnerung. Ist doch ein Unterschied, ob man im Auto sitzt oder sie sich mit dem Rad erkämpft. 2. Indiana Jones auf französisch ist putzig.

 

Mittwoch, 24.09.2014 .....74 km

Der Tag beginnt mit einer ordentlichen Portion Weetabix. Früher habe ich immer gemosert, das Zeug würde nicht schmecken, wenn R. es genüsslich mampfte. Jetzt futtere ich es doch und bin froh darüber, weil es mir viel Energie spenden wird. Der Himmel ist strahlend blau und damit ist die Tour zur Küste angesagt. Ich fahre über Plourin-lex-Morlaix nach Morlaix. Es geht ständig steil hoch und runter. In Morlaix mache ich eine kurze Orientierungspause, quassele auf englisch mit zwei französischen radelnden Studenten, die aus Bordeaux gekommen sind und nun eine Zwangspause einlegen müssen, weil dem einen die Brille kaputt gegangen und noch in Reparatur ist. Am späten Nachmittag werde ich sie wiedertreffen - singender- und Gitarre spielenderweise. In Morlaix entscheide ich mich aus Unwissenheit für die Route entlang der D46. Erstmal geht es steil hoch, viel später das Ganze wieder runter - Serpentinen mit einem großen LKW im Rücken.Danach geht es wieder rauf und anschließend wieder nach Plougasnou hinab nach Primel Tregastel - meinem Ziel. Ich freue mich, das Meer wieder zu sehen und zu riechen. Ich kann nicht anders - ich muss hoch auf die Granitklippen. Und mein Faltrad ist ja schön leicht (Alu) und klein und muss mit dorthin. Ich bin ganz allein dort oben. Hach is dat schööön! Beim Rückweg entscheide ich mich für die Touristenroute entlang der Küste. Oh super - sogar eine Route für Radfahrer ist ausgewiesen. Nehme ich doch die! Diese ist auch eine  Zeitlang o.k., bis sie dann über einen holprigen breiten Feldweg führt. Dafür ist mein Rad mit Sicherheit nicht ausgelegt. Ich bin froh, als ich wieder Asphalt unter den Reifen habe und ignoriere ab jetzt die Radhinweisschilder. Der Küstenweg ist super. Man hat traumhafte Ausblicke auf die Bucht von Morlaix und da es klar ist, kann man wirklich weit sehen. In der Ferne erkenne ich Roscoff. In Plouezoch mache ich kurz an einer Apotheke halt und frage nach Traubenzucker, "glucose" im französischen, aber die können damit nichts anfangen, wollen mir Vitamine geben. Als ich schon wieder im Sattel sitze, kommt der Apotheker heraus geflitzt.  Er hat doch was gefunden, leider mit Koffein, und das geht um diese Uhrzeit bei mir gar nicht. Nunja, erstmal muss ich mich nur rollen lassen und dann geht's im Tal den Fluss lang nach Morlaix zurück. Dort kaufe ich mir in einer Patisserie ein leckeres Teilchen. Ich brauche kein schlechtes Gewissen zu haben wegen dieser Kalorienbombe. Ich bummele lange durch den Ort und durch Straßen und Gassen, die ich noch nicht kenne. Immerhin war ich hier schon zweimal mit R. gewesen. Auf der Heimfahrt nach Quillien werde ich diesmal die Route entlang der D 769 nehmen in Richtung Huelgoat. Es geht lange aber sacht bergauf, wird dann ein wenig steiler und dann kommt ein mir wohlbekannter Abzweig. Super, wenn man nach 69 km weiß, dass noch 5km stärkerer Anstieg vor einem liegen. Doch die schaffe ich auch irgendwie. Erschöpft komme ich an. Ich setzte mich auf meinen Lieblingsplatz im Obergeschoss und studiere erstmal die Karten und plane schon die große Tour für die nächste Woche, bei der ich dann auch 1 - 2 Nächte außerhalb schlafen werde. Ich habe das Meer gerochen und Lust auf mehr Meer.

Bemerkung: Ein Haus mit zwei Etagen ist besonders unangenehm, wenn man erschöpft ist und die Sachen, die man benötigt, immer genau im anderen Stockwerk sind.

 

Donnerstag, 25.09.2014 .....57 km

Wieder ist ein Tag voller Sonne. Deshalb entschließe ich mich, ans Meer zu fahren - diese Mal auf die andere Seite der Bucht nach Carantec. Natürlich führt die Rote über Morlaix. Diesmal nehme ich die von der gestrigen Heimfahrt. Ich lasse mir den Fahrtwind um die Ohren brausen und brauche für die 15 km 30 Minuten weniger als gestern bergauf. Ist auch gut so, weil meine Beine noch nicht so wollen wie sie sollen. Sie sind heute wie Blei. Ab Morlaix fahre ich immer am Fluss lang, der irgendwann ins Meer münden wird. Es ist angenehm flach zu fahren, nur der letzte Kilometer geht bergauf. In Carantec ist Markt. Als ich so in voller Fahrradmontur mit meinem Rad dort langschlendere, werde ich von einigen Einheimischen angeguckt wie ein Außerirdischer. Ich kaufe bretonische Backwerk mit Karamell und viel Butter drin und verliebe mich in eine Tischdecke. Doch die bleibt da, wo sie hängt, und ich schlendere weiter - auch durch die Straßen abseits des Marktes.Mittlerweile ist Marktschluss und die Händler packen zusammen. Wieder stehe ich vor der Tischdecke, auf der Macarones abgebildet sind....und dann kaufe ich sie doch. Ich fahre weiter, bis es nicht mehr geht, gelange auf einen Wanderpfad und trage schließlich mein Rad die letzten Stufen zum Strand hinunter. Dort kapere ich einen großen Stein, packe meinen Kuchen aus und halte Siesta am menschenleeren Strand. Die Sonne brennt und so sitze ich schließlich obenherum nur im Sportunterhemd da. Später schiebe ich so auch los. Ist es wirklich Ende September? Kaum zu glauben. Ich benutze weiter den Wanderweg, bedauere, dass Ebbe ist und ich das Castle nicht besuchen kann, quassele mit einem deutschen Touristenehepaar und gelange schließlich wieder auf asphaltierte Straße. Zeit für den Heimweg. Da ich keine Lust habe, ab Morlaix wieder 15 km nur bergauf zu strampeln , nehme ich die Route über Plourin. Ich wollte mir sowieso dort die Kirche ansehen und einkaufen muss ich auch. So mache ich es. Die Heimfahrt ist anfangs ein ständiges bergauf bergab, aber dann wird es haarig. Mit Fahren wird das nichts, Ich muss schieben und packe den steilen Anstieg den Rucksack auf den Gepäckträger, damit ich das Gewicht nicht auch noch auf den Knien habe.Ich nehme mir fest vor, beim nächsten Mal ein Taxi zu nehmen...pfeiff auf die 30 €. Als ich in meinem Häuschen angekommen bin und mir die Route, die ich gefahren bin,  im  Autoatlas, der dort zum Inventar gehört, anschaue, sehe ich, dass dieser letzte Anstieg eine 17 % ige Steigung hat. Jetzt wundert mich nichts mehr. Sinnigerweise ist das auch die offizielle Veloroute. Ich knalle mich erstmal auf 's Bett, löse Sudoku und entspanne meine geplagten Knochen. Und ich habe einen Sonnenbrand ! Neee, ne?

Bemerkung: Zwischen Morlaix und Carantec habe ich einen Fotostop gemacht. Ein älterer Radfahrer zischte an mir vorbei und stand dann doch plötzlich neben mir. Er wollte sich unterhalten. Es wurde ein englisch-französischer Misch-masch. Aber überhaupt sind die Sportradfahrer alle sehr freundlich. Lächelnd rufen alle einem "bonjour" zu. Komischerweise habe ich bis jetzt keine einzige Rad fahrende Frau gesehen und - wie schön - kein einziges Hollandrad!

 

Freitag, 26.09.2014 .....76 km

So viel schönes Wetter ist doch unwahrscheinlich. Es ist blauer Himmel, als ich die Vorhänge aufziehe. Also Planwechsel - es geht nach Norden. Wieder fahre ich über Morlaix in Richtung Carantec, biege aber kurz vorher ab nach St. Pol-de-Leon. Ich habe heute nur leichtes Gepäck. Die Fototasche bietet nicht nur für die Kamera Platz und wird auf dem Gepäckträger verzurrt. Ist ein viel besseres Fahrgefühl, wenn man den Rücken frei hat. Nach etwas mehr als 2 Stunden erreiche ich die Stadt. Auf dem Weg dorthin fahre ich an Artischocken- und Blumenkohlfeldern vorbei. St. Pol begrüßt mich mit vielen Türmen, gemessen an der Größe des Ortes. Beeindruckend finde ich die Kathedrale. Ganz allein bin ich da drin. Komisches Gefühl ! Ich gucke mir alles in Ruhe an. Als ich eine Kerze kaufen will, merke ich, dass ich kein Kleingeld habe. Also - es ist Mittagszeit - ab zum bretonischen Bäcker und zwei Spezialitäten gekauft. Ich setze mich auf eine Mauer am Markt in die warme Sonne, lunche und chille. Dann geht es zurück in die Kathedrale und ich kaufe drei Kerzen, die ich auch anzünde - eine für R., meinen verstorbenen Lebensgefährten, eine für die verstorbene Tochter meiner Schwester und eine für den verstorbenen Lebensgefährten einer Freundin, die ich im Trauerjahr beim Kegeln kennengelernt  habe. Und nun kullern das erste Mal richtig die Tränen. Muss aber auch sein. Anschließend streife ich durch den Ort. Die Touristinfo hat ausgerechnet heute geschlossen, aber es geht auch ohne Plan. Um Viertel vor drei mache ich mich auf den Rückweg. Mein Blick wandert zum Himmel, der sich inzwischen schon sehr zugezogen hat. Mir selbst würde der Regen nichts ausmachen, aber ich bezweifle, dass die Kameratasche wasserdicht ist. Also fahre ich ein sehr zügiges Tempo. Fünf Kilometer vor Morlaix treffen mich ein paar Nieseltröpfchen, die aber glücklicherweise die einzigen bleiben werden. Es ist angenhem kühl, als ich zwischen Morlaix und Quillien meine 15 km bergauf strampele. Diesmal benötige ich nicht so viel Zeit wie noch vor zwei Tagen. Ist das jetzt schon Training, das sich bemerkbar macht? Durst habe ich ! Und dann entdecke ich ein Brombeer-Eldorado 5 km vor dem Ziel. Mhm !!!! Das tut gut. Eine halbe Stunde, nachdem ich "daheim" angekommen bin, fängt es an zu nieseln. Ich merke, dass ich heute sehr zügig gefahren bin. Die Treppe im Haus macht mehr Mühe als sonst. Tapfer steige ich trotzdem mehrmals hoch und runter. Oben gucke ich durch das Dachfenster auf die Straße. Ein Hund liegt mittendrauf, so wenig Verkehr ist hier. Als ich wieder unten in der Küche bin, höre ich Hufgetrappel und dann galoppieren drei herrenlose Pferde die Straße hoch. Was war das denn? Wo kamen die denn her? Ich schau noch eine Weile aus dem Fenster, aber niemand scheint die Tiere zu vermissen. Gut, gehe ich halt wieder nach oben, esse Abendbrot und plane den nächsten Tag. Muss ja auch noch in die Nähe eines Supermarktes kommen, weil ja Wochenende ist.

Bemerkung: Eigentlich hatte ich mir ja gestern geschworen, heute auf dem Heimweg ein Taxi zu nehmen, aber der Geiz hat gesiegt. 30 € gespart, die ich für andere Dinge ausgeben kann. Aber ab morgen sollte ich vielleicht mal die Regensachen einpacken. Bis jetzt war ich in dieser Hinsicht ziemlich leichtsinnig.

 

Samstag, 27.09.2014 ...63 km

Heute ist Habe-Acht-Wetter. Wie oft saßen wir bei solchem Wetter im Camping beim Frühstück, immer die Augen argwöhnisch zum Himmel gerichtet, falls es gleich anfangen würde zu regnen, um das Dachzelt schnell runterkurbeln zu können. Ich frühstücke erstmal. Mal sehen, wie es sich entwickelt. Eine Stunde später ist strahlend blauer Himmel. So gern ich wieder am Strand wäre, mache ich heute eine andere Tour. Ich habe Muskelkater, sage mir aber, dass es ja nicht so anstrengend sein wird. Der Weg zur Abbaye du Relec geht fast nur bergab. Ich bin die einzige dort, streife umher, gucke mir den Gemüsegarten an, nur ins Museum komme ich nicht hinein. Entgegen der Ankündigung eines Werbeprospektes wird erst nachmittags geöffnet sein. Die haben die Nachsaison schon mal vorgezogen. Weiter geht es nach Plouneour-Menez. Auch dort kann ich mir die Kirche nur von außen betrachten. Grummel! Kultur soll heute wohl nicht sein! Da das Wetter so fantastisch ist, entschließe ich mich den höchsten Berg der Bretagne zu erklimmen - den Roc Trevezel - 384 m hoch. Es führt eine Straße direkt dorthin, das Problem ist, dass 1,5 km davon Schnellstraße sind. Da ich ohnehin keine Lust verspüre ewig bergauf zu strampeln, wechsele ich die Straßenseite und schiebe mein Rad auf dem Grünstreifen nach oben. Ansonsten müsste ich einen Riesenumweg fahren. Auf diese Weise kann ich  das immer weiter werdende Panorama in Ruhe auf mich wirken lassen. Auf dem Gipfel der Straße darf ich dann wieder fahren, bis recht ein Fußweg zum Roc Trevezel abbiegt. Zwei Drittel des Weges schleppe bzw. schiebe ich mein Fahrrad holpernd noch mit, dann schließe ich es an einem Wegweiser an und klettere den Rest auf den Gipfel des Berges. Ganz allein bin ich, sitze auf einem Felsbrocken und freue mich über den Kontrast von gelben Stechginster und dunkellila Heidekraut. Schmetterlinge spielen miteinander und eine Hummel spielt Fotomodell für mich...dazu das fantastische Panorama. Ich könnte ewig hier sitzen bzw. herumklettern. Zwischendurch beim Kraxeln lasse ich meine Orientierungskarte liegen, aber ich finde sie wieder. Wie geht es nun weiter? Ich fühle mich so pudelwohl, dass ich übermütig werde und nach Sizun fahre. Hauptsehenswürdigkeit diese Pfarrbezirkes ist das Triumphtor aus dem 16. Jahrhundert, auf dem drei Golgathakreuze stehen statt eines Kalvarienberges. Ich bin beeindruckt. Am liebsten würde ich jetzt auch noch nach La Faou fahren, aber das wäre dann doch zu weit. Ich bin jetzt schon über 30 km von menem Domizil entfernt. Somit begebe ich mich auf den Heimweg. Da ich es nicht mag, dieselbe Route zurück zu nehmen, was ein ständiger Streitpunkt in den Urlauben mit R. war, da er sich mal im Hohen Venn fürchterlich verlaufen hatte, fahre ich über Saint Sauveur in Richtung St. Thegonnec und mache noch einen Abstecher nach Guimiliau. Vor acht Jahren war ich hier mit R. und wir kamen ewig nicht in die Kirche hinein, weil dort eine Trauerfeier stattfand. Damit hatten wir über eine Stunde Zeit, den riesigen Kalvarienberg mit 17 Passionsszenen und 15 Szenne aus dem Leben von Jesus gründlich zu betrachten. Auch die Kirche selbst ist prunkvoll ausgestattet.So viele Details, die ich heute auch fotografisch besser festhalten kann als damals. Meine Nikon D5200 ist doch ein anderes Kaliber als die analoge Olympus von damals. Ich muss an R. denken, verdrücke ein paar Tränchen und mache mich auf den Weg nach Pleyber-Christ. Dort kaufe ich ein und habe keine Lust auf die restlichen 10 km per Rad. In einem Museum mache ich mich verständlich, dass ich ein Taxi benötige. Die Dame dort ist ganz begeistert, als ich mein Rad auf Kleinformat falte.  Ich kann nicht mehr!

Bemerkung: Die bretonischen Einwohner habe ich bisher als freundliche hilfsbereite Menschen kennen gelernt, die sich auch nicht von meinen ungenügenden Sprachkenntnissen abschrecken lassen.

 

Sonntag, 28.09.2014 .....74 km

Ich hab' 'nen Knall! Habe mir heute eine ausführliche Küstentour gegönnt. Wie immmer an erster Stelle kommt die Talfahrt nach Morlaix. Dort geht es gleich wieder steil hoch zum Bahnhof. Leider sind die Ticketautomaten dort bargeldlos, sonst würde ich schon heute nach Lannion fahren, um noch Tregastel und die roten Granitfelsen zu besuchen. Nunja, hier oben war ich auch noch nie, Zeit für ein paar Fotos von Morlaix und dem riesigen Eisenbahviadukt, dass mitten durch diese Fachwerkstadt verläuft, von oben. Dann fahre ich hinunter ins Zentrum und in Richtung Lanmeur via D786. Den ersten Anstieg kenne ich schon, noch vor einigen Tagen habe ich mein Rad hier geschoben. Heute strampele ich tapfer durch. Lanmeur zieht vorbei und ich gelange nach Plestin-les-Greves. Dort war heute Markt - es ist fast 13 Uhr und die Händler packen schon zusammen.Wie oft habe ich das in den Urlauben mit R. erlebt! Mich interessiert nur eines - Essen - denn auf diesen Märkten gibt es immer lecker Futter. Ich bin zwar auf Gebäck aus, aber was erspähen meine Äuglein? Fish-and-Chips auf bretonisch! ich bekomme gerade noch die allerletzte Portion, Mayo ist nicht, nur Ketchup, also nehme ich Sauce Samurai dazu. Gehirn einschalten wäre ab und an auch angebracht.  Ich finde gleich in der Nähe eine Bank, mache es mir gemütlich und fange an zu essen. Oha !!! Die Sauce ist etwas schärfer, aber gut zu gnießen. Und der Fisch! Wow, ist der leker! Er ist umhüllt von einer Kräuterpanade, wie ich sie noch nie gegessen habe. So gestärkt und ausgeruht überlege ich, ob ich nicht noch Lannion radeln soll - mit Übernachtung versteht sich. Ich entscheide mich dagegen und für die Rückfahrt entlang der Küste - der Route Corniche. Ja, Cornwall ist genau gegenüber der Bucht. Erster Halt ist Saint Efflau, der nächste in Locquirec. Dort bleibe ich länger, habe so richtiges Urlaubsfeeling. Die Kirche macht auch bald auf, so dass ich sie mir gründlich ansehen kann. Den Turm hat irgendein berühmter französischer Architekt gebaut. Die Gegend wird im Reiseführer so beschrieben : "feinsandige Strände und Klippen an der Küste, Wald und Hügel im Hinterland" und genauso ist es. Immer wieder gibt es fantastische Aussichtspunkte, wo ich auch immer wieder die gleichen Autofahrer treffe. Ich bleibe öfter stehen und sehnsuchtsvoll geht mein Blick über das Meer nach  Cornwall hinüber, das im Wolkenmeer versinkt. Ich glaube, im nächsten Jahr werde ich dorthin fahren, dann mit dem Trekkingrad und Zelt ....hm..oder vielleicht doch wieder in die Bretagne...an einen anderen Ort?  Bald gelange ich nach Plougasnou, lasse mich aber nicht verführen vom direkten Weg nach Morlaix. Zu gut ist mir die steile Abfahrt mit dem LKW im Rücken in Erinnerung und die müsste ich heute hoch.Stattdessen bleibe ich auf dem Plateau bis Plouezoch und rausche ab da  hinunter nach Dourduff-en-Mer und von dort am Fluss lang bis nach Morlaix. In der Stadt suche ich vergebens nach einem Taxistand, also versuche ich es oben am Bahnhof. Da ist auch kein Taxi, nur zwei bestellte kommen angefahren. Eine der Fahrerinnen ist so nett, mir auch eines zu bestellen. Und so fahre ich ganz entspannt die 15 km bergauf nach Hause. Kostet zwar statt 30 diesmal 40 € - es ist Sonntag - aber mehr als die 74 km heute sind nicht mehr drin. Später, als ich gerade beim Abendbrot sitze, klingelt es und meine Wirtin steht vor der Tür mit einem frisch gebackenen noch heißen Kuchen. Ich erkenne sofort, was es ist - Far Breton. Ich liebe dieses Gebäck, habe es in Deutschland auch schon selbst gebacken. Und meine Wirtin freut sich, dass ich es kenne.

Bemerkung: Wer in der Bretagne gern auf Umwegen und Holperpisten mit dem Rad unterwegs ist, der sollte der Veloroute folgen.

 

Montag, 29.09.2014 .....62 km

Die zweite Woche hat begonnen. Welches Wetter wir das heute? Davon hängt ab, in welche Richtung ich aufbreche. Erst scheint die Sonne, dann zieht es zu. Nun gut, dann wird das heute Huelgoat und Umgebung - eine kleinere Tour, da kann ich jetzt noch trödeln. Erst weit nach 11 Uhr starte ich, diesmal die Fahrradtragetasche im Gepäck. Sie nimmt ja sehr wenig Platz weg und wer weiß, was mir unterwegs wieder in den Sinn kommt. Bei der nächsten Kreuzung biege ich planmäßig nach links ab, stoppe nach 50 Metern, denke nach und fahre in die andere Richtung bis kurz vor Carantec. Bis dorthin muss ich mich entscheiden, ob ich die Ile de Callot besuchen. Bei Ebbe kann man dorthin zu Fuß gelangen bzw. fahren. Man darf nur nicht den richtigen Zeitpunkt für den Rückweg verpassen...oder aber ich könnte auch nach Roscoff fahren über St. Pol. Beide Orte trennen gerade mal 5 km. Ich bin zwar heute überhaupt nicht in Form, entscheide mich aber für Roscoff. Ich quäle mich bis St. Pol und mache dort einen Zwischenstopp  beim Dönermann an der Kathedrale, den ich da vor einigen Tagen entdeckt hatte. Ich lasse es mir schmecken. Döner in Frankreich schmecken viel besser als in Deutschland.. Und nun habe ich auch wieder richtig Kraft. Im Nu bin ich in Roscoff im alten Hafen, wo auch die Schiffe zur Ile de Batz ablegen. Ich hatte ja mit dem Gedanken gespielt rüber zu fahren, lasse es aber. Habe heute keine Lust auf Tränen, denn dort war ich damals mit R.  So laufe ich den ewig langen Bootsanlegersteg bis zu seinem Ende und schaue hinüber zur Insel. Ist gut so! Wenn ich wieder in Düsseldorf bin, werde ich mir die Fotos von damals anschauen. Vom Hafen aus schiebe ich mein Rad weiter bis ins Stadtzentrum, das wirklich sehenswert ist. Schöne alte Granithäuser umsäumen die Kirche, deren Turm besonders verspielt gebaut ist. Auch sonst sind an Häusern und Kirche überall Details, die das Herz jedes Fotografierenden höher schlagen lassen. Von Roscoff aus hat übrigens die Thalassotherapie ihren Siegeszug gehalten. Als ich weiter spaziere, komme ich wieder ans Meer - Roscoff liegt nunmal auf einer Landzunge - und auf eine Promenade, die zu einem Pflegekomplexgehört. ich glaube, die dort leben, haben es ganz gut. Zumindest sehen alle sehr zufrieden aus. Auf dem Weg nach Roscoff hatte ich schon beschlossen,bis nach Morlaix den Bus zu nehmen. Da ich noch Zeit habe und auch einkaufen muss, suche ich erst den Bahnhof und dann einen Supermarkt. Erster ist bald gefunden, zweiter nicht. ich gurke nun schon das dritte Mal durch das Zentrum und entscheide mich den Bahnhof aufzusuchen, auch wenn noch 45 Minuten Zeit sind. In Ruhe kann ich dort mein Rad falten und in der Tasche verschwinden lassen und in der Sonne Sudoku lösend auf den Bus warten. Wie angenehm kann so eine Busfahrt sein, auch wenn die Fahrerin das Radio voll aufdreht, immerhin Oldies. In Morlaix am Bahnhof gebe ich eine Schauvorstellung vom Entfalten meines Faltrades, kaufe noch ein, und schaffe die 15 km bergauf in einer Stunde! Wow! Da ich den Lenker inzwischen tiefer gestellt habe, sitze ich jetzt auf dem Fahrrad wie auf einem Rennrad und habe somit viel mehr Beinkraft.

Bemerkung: die Ile Callot habe ich auf Sonntag verschoben - als krönenden Abschluss. Das ist nicht so anstrengend.

 

Dienstag, 30.09.2014 ....34 km + 4km zu Fuß

Wie immer geht mein erster Blick nach draußen. Hm! Was wird das denn heute? Eigentlich wollte ich endlich mal zur Granit-Rose-Küste, aber dafür brauche ich Sonne - vor allem abends. Ich bereite  alles vor, d.h. diesmal müssen auch Nacht- und Zahnputzzeug ins Gepäck. Alles andere ist erfahrungsgemäß im Hotelzimmer. Kurz überlege ich die Rgenjacke einzupacken, aber ich bin optimistisch und lasse sie daheim. So starte ich mit minimalen Gepäck - Kameratasche und ein kleines Nylonbeutelchen auf dem Gepäckträger -  zum Bahnhof Morlaix. Dort wird es fein verpackt für die Busfahrt nach Lannion, denn diese 35 km will ich mir nicht zusätzlich antun. Inzwischen habe auch begriffen, wenn man in Frankreich per Bus mit großem Gepäck reist, man selbst das Gepäckfach außen am Bus öffnet , sein Gepäck einräumt und dann die Klappe wieder schließt. Als ich schließlich einsteige und der Fahrer mir den Preis für die Fahrt mitteilt, bleibt mir fast der Mund offen stehen. Ein ganzer Euro nur!!! Und dafür bekomme ich eine schöne Tour mit Umwegen über die Dörfer und teilweise entlang der Küste. Ich genieße die Fahrt.

In Lannion angekommen schwinge ich mich auf mein Rad und steuere Perros-Guirec an. Es geht mal wieder vorerst nur bergauf. Und ich bin entschieden zu warm angezogen. Die Sonne meint es sehr gut und ich mache einen halben Striptease, da ich unterm kurzärmeligen Radshirt ein langärmeliges Funktionsshirt anhabe, was ich nun ausziehen will. Irgendwann geht es endlich bergab und ich erreiche Perros-Guirec. Ein Toilettenhäuschen am Hafen erinnert mich, dass das unterwegs Getrunkene wieder raus will. Als ich noch am Überlegen bin, ob ich mein Fahrrad einfach mit hinein nehmen soll - ich habe keine Lust, mein kunstvoll verzurrtes Gepäck erst zu entfernen und das Rad anzuschließen - sehe ich zwei Geschäftsleute zu einem teuren Wagen gehen. Sie erscheinen mir vertrauenswürdig und so steuere ich auf sie zu. Leider sprechen sie kein englisch, doch wozu habe ich meine Gliedmaßen? Ich kneife die Oberschenkel zusammen, lege die Hände vor den Schoß, setze einen Blick als würde ich gleich in die Hose machen auf und zeige dann zum Toilettenhäuschen. Sie verstehen, nicken und grinsen mir hinterher, als ich ohne Rad zum Häuschen abdüse  wie Schmidts Katze. Ich bedanke mich anschließend artig und setze meine Tour fort, immer entlang der Küste bis Ploumanach. Schnell habe ich ein Hotelzimmer gefunden und mit Hilfe meines elektronischen Taschenübersetzers eingeloggt. Mein Rad darf ich mit auf''s Zimmer nehmen - gar nicht so einfach, da eine kleine Wendeltreppe in den ersten Stock führt. Dann schnappe ich mir meine Kamera und ab geht es zum Strand. Die nächsten 4 Stunden bin ich mit Wandern, Klettern und Fotografieren beschäftigt. Zwischendurch kehre ich in den Ort zurück und hole mir in einem Souvenirladen Cidre und Konign Amann - ein typisches bretonisches Gebäck. Ich werde meine Fotosession heute Abend an den roten Granitfelsen zelebrieren.In der untergehenden Sonne sollen die Felsen besonders schön sein. Immer mehr Fotografierende kommen im abendrot. Als ich damals mit R. hier war, hatten wir nur das Mittagslicht. In den folgenden Bretagneurlauben hatte ich zwar immer den Wunsch, hier einen Abend zu verbringen, der leider nie realisierbar war wegen anderer Pläne. Jetzt geht mein Traum in Erfüllung und ich bekomme endlich das Foto aus dem Reiseführer. R. ist mir in diesem Moment sehr nah. Als ich so auf dem Felsen sitze und bei Sonnenuntergang esse, trinke und fotografiere, scheint er neben mir zu sitzen an diesem herrlichen, unglaublich warmen letzten Septembertag. Später im Hotelzimmer halte ich eine Weile Zwiesprache mit R. und schaue mir "Illuminati" auf französisch. Was ich lustig finde ist, dass ich vor einigen Monaten, als ich in Paris war, mir abends im Hotel  "Sakrileg" auch auf französsich angeschaut habe.

Bemerkung: auch Dokumentarfilme über den Mauerfall in der DDR auf französisch sind interessant. Glücklicherweise kannte ich schon die deutsche Fassung...und ich habe mir einen Beutel gekauft, den ich wie ein Rucksäckchen auf den Rücken nehmen kann und eine bretonische Aufschrift - sozusagen ein Souvenir für mich selbst.

 

Mittwoch, 01.10.2014.....38 km

Ich habe schlecht geschlafen. Ständig war ich wach und wenn ich mal schlief, träumte ich wirres Zeug von Landkarten und Busfahrplänen. Ich werde geweckt von Rumorgeräuschen im Haus. Da es noch finster ist, versuche ich weiter zu schlafen. Geht nicht , also mache ich das Licht an und gucke auf die Uhr. Halbacht? Und so finster? Es dämmert aber schon leicht und ...die Straße ist nass. Es nieselt! Bis ich mit meiner sehr ausgiebigen Dusche fertig bin, hat es aufgehört und beim Frühstück in der Hotellounge reißt der Himmel immer mehr auf. Ich möchte weiter nach Tregastel fahren. Dort gibt es einen bezaubernden Strand oder besser gesagt, es sind mehrere Strände, und azurblaues Wasser ......wenn die Sonne scheint. Die hat es sich anders überlegt. Der Ort sieht heute ganz anders aus und ich habe Orientierungsschwierigkeiten. Wo zum Teufel sind wir denn hier damals langgelaufen? Wir waren doch mehrmals hier! Nach einigen Herumirren finde ich endlich den bekannten Weg über die Felsen. Der Weg war schon immer recht schmal und holprig - Fahrräder sind verboten. Doch morgens um 10 Uhr bei diesem Wetter ist hier keine Menschenseele und so passiere ich mal das Rad schiebend mal tragend diesen Weg bis zu der vertrauten Bucht.

Die ist völlig entzaubert - ist vielleicht auch besser so. Ich habe daheim in Deutschland schon wunderbare Aufnahmen, damals zusammen mit R. fotografiert. Er hatte mir immer von Tregastel vorgeschwärmt. Beim zweiten Besuch dort war dann auch ich dieser Schönheit erlegen. Wir haben zusammen wie die Wilden fotografiert. Ich bin ganz froh, dass das Wetter nicht mitspielt. Somit gerate ich nicht in Trübseligkeit. Als ich mit meinem Rad durch den Sand pflüge, fängt es wieder zu nieseln an. Ich beeile mich,  festen Straßenbelag unter die Reifen zu bekommen, und mache mich auf den direkten Weg nach Lannion in der Hoffnung, dass der Regen nicht stärker wird. Leider erfüllt sich diese nicht. Am Stadtrand von Lannion komme ich patschnass an und der Regen hört auf. Hier ist ein Supermarkt - LeClerc, ich werde jetzt hier in Ruhe mich aufwärmen und trocknen. Ja denkste, ausgerechnet heute ist ausnahmsweise erst ab 12 Uhr geöffnet, also erst in einer Stunde. Also rolle ich hinunter in die Stadt, Umwege eingeschlossen, und plane um. nach Stadtbesichtigung ist mir absolut nicht zumute, in 45 Minuten wird ein Bus nach Morlaix fahren und ich verpacke mein Rad. Es ist Schulschluss in der Stadt und an der Haltestelle versammeln sich viele Schüler.Anders als in Deutschland ist hier kein Geschubse und Geschrei. Verschiedene Busse kommen und fahren ab, die Menge der Kinder wird immer weniger und dann kommt mein Bus - fast vollständig mit Schülern besetzt. Ich mache mich auf das Schlimmste gefasst, aber auch im Bus ist nur halblautes Gemurmel.  Ich kann es nicht glauben! Bis Morlaix bin ich auch wieder trocken und so fahre ich dort zu Decathlon, dem französischen Sportausstatter, und anschließend in einen riesigen Supermarkt. In beiden mache ich Einkäufe und mich dann auf den Weg nach Quillien. Als ich unterwegs Rast machen will, gerate ich beim Bremsen auf eine Grasnarbe, mit dem Fuß in einer Aushöhlung und lande der Länge nach in Brennnesseln. Auahhh! Dicke rote Flatschen bilden sich an meinen ungeschützten Unterarmen und blutige Striemen von den Pedalen zieren meine Unterschenkel. Ich bedaure mich selbst, mache meine Rast an einem Flüsschen und strampele weiter den Berg hoch. Argwöhnisch sehe ich, dass sich wieder was zusammenbraut. Und richtig: Auf den letzten zwei Kilometern werde ich nochmal richtig nass.

Bemerkung: Hätte ich die Rast nicht gemacht, wäre ich trocken nach Hause gekommen. Aber ich hätte keine Kraft mehr gehabt für den Anstieg. Also habe ich alles richtig gemacht.

 

Donnerstag, 02.10.2014 .....43 km

Heute ist draußen Waschküche. Keine Landschaft da, dafür alles in Nebel gehüllt. Den Köter von nebenan könnte ich erwürgen. die ganze Nacht durch hat er immer wieder gebellt, dafür war er heute den ganzen vormittag nicht zu hören. Ich mache es mir gemütlich im Haus, frühstücke in Ruhe, löse Sudoku und prüfe immermal die Wetterentwicklung. Der Nebel löst sich langsam auf und die Sonne lässt sich erahnen. Ich beschließe, heute  nur eine kleine Tour zu machen. Der letzte Pfarrhof mit Kalvarienberg steht an. Dieser gehört zu den ältesten der Bretagne. Ich such mir die Strecke aus. Es gibt da eine kleine Querverbindung - nur finde ich die unterwegs nicht. Aber dafür genieße ich die 17 % Gefälle den Berg runter, muss allerdings die fast 13 %  Steigung kurz vor Plourin in Kauf nehmen. Dort ist mein Ziel Plougonven gut ausgeschildert. Staunend steh ich vor dem Kalvarienberg mit mehr als 100 Figuren, die Trachten aus dem 16./17. Jahrhundert tragen. Muss aber bearbeitet worden sein, denn der Berg selbst wurde 1554 vollendet. Alles ist sehr gut zu erkennen. Mein nächstes Ziel ist Morlaix - blanker Selbsterhaltungstrieb, da ich keine Lust habe auf die horrenten Steigungen, falls ich direkt nach Quillien fahren würde. Da nehme ich doch lieber einnen größeren Umweg in Kauf. Ich werde belohnt und es geht nur bergab. In Morlaix steuere ich meine Lieblingspatisserie an, hole mir dort eine schokoladige Verführung und zwei Macarones. So ausgerüstet suche ich mir ein schönes Plätzchen und vertilge die beiden Macarones. Die Dinger sind zwar nicht ganz billig, aber Einmal muss sein. Ich schlendere weiter, überlege noch, was ich jetzt anstelle, gucke die Auslagen der Geschäfte an und lande an der Kirche St. Melanie, die Ende des 15. Jahrhunderts erbaut wurde. Ich vertäue mein Fahrrad und besichtige die Kirche. Im Vergleich zu anderen Kirchen wirkt sie sehr düster. Was ich faszinierend finde, ist der kobaltblaue Anstrich der Decke mit Sternchen drauf. Ein wenig Licht fällt durch die verborgenenen Dachfenster, so dass man denkt, man stehe unter einem Sternenhimmel. Als ich die Kirche wieder verlasse, fällt mein Blick auf die Treppe, die hoch zum Eisenbahnviadukt führt. Auf ca halber Höhe kann man durch das Viadukt spazieren. Das habe ich in den vergangenen Jahren, wenn ich hier war, noch nie bemerkt und so mache ich das heute. Man bewegt sich quasi über dem Stadtzentrum. Auf der anderen Seite könnte ich jetzt noch höher steigen, aber da war ich ja erst neulich. Somit begebe ich mich wieder nach unten zu meinem Rad. Ich freu mich immer, wenn es noch da und auch vollständig ist, weil es überall Schnellspanneinrichtungen hat, also sehr leicht einige Teile zu demontieren sind. Jetzt habe ich richtig Appetit auf meine schokoladige Verführung und so setzte ich mich auf eine Mauer und genieße. "Bon Appetit" bekomme ich gewünscht. Andere schmunzeln mich an. Ich grinse verfressen zurück. So gestärkt mache ich mich auf den Heimweg - schön brav 15 km bergan, bei denen ich mein Zeitlimit habe.

Bemerkung: Radfahrer haben in Frankreich mehr Anerkennung als in Deutschland. Die Autofahrer bleiben brav hinter ihnen, bis sie gefahrlos vorbei kommen und hupen auch nicht.

 

Freitag, 03.10.2014 .....62 km

Der Tag beginnt wie gestern mit Nebel. Ich kann also in Ruhe frühstücken, relaxen und gucken, was sich da entwickelt. Heute geht es schneller, dass sich erstes Himmelsblau und Sonnenstrahlen zeigen. Mein Weg führt mich heute nach Barnenez. Das liegt in der Bucht von Morlaix auf der kleinen Halbinsel Kernilihen. Von Morlaix aus fahre ich am Fluss lang nach Dorduff-en-Mer, von da aus nach Plouzoc'h. Mir graut ein wenig vor dem Anstieg, aber er entpuppt sich als halb so schlimm. Hatte eigentlich damit gerechnet zu schieben, doch ich halte durch. Oben kommt dann ein Stück ebene Strecke und danach die Schussfahrt nach Barnenez. Ohje, das muss ich nachher alles wieder hinauf, denke ich, da das die einzige Zufahrt zum Dorf ist.Vor meinem Ziel führt der Weg  noch einmal steil nach oben. Ich habe noch 20 Minuten Zeit, bis die Museumsstätte aufmacht. Noch mehr Touristen kommen mit ihren Autos angefahren, unter ihnen auch einige Deutsche. Wo archäologische Sachen zu besichtigen sind, ist das deutsche Bildungsbürgertum nicht weit entfernt.. Das habe ich in all den Jahren festgestellt. Nun ist es endlich soweit.  Der "Grand Cairn de Barnenez" öffnet seine Pforten. Und wie schön, ich bekomme ein Faltblatt mit Erklärungen in meiner Landessprache. Die neolithischen Grabstätte, die ich jetzt besuche, ist 6000 Jahre alt und die größte ihrer Art in Europa. Sie wird im gleichen Atemzug mit den Alignements von Carnac, die ich schon kenne, genannt. Während ich herumspaziere, schaue ich natürlich auch auf die Gegend. Man hat hier eine sehr gute Aussicht auf die komplette Bucht von Morlaix. Und dann bekomme ich noch ein Schauspiel, was mich immer wieder fasziniert. Es zieht Seenebel auf. die landschaftkonturen beginnen zu verschwimmen. Ich erinnere mich an einen Campingurlaub in Cornwall - was ja quasi auf der anderen Seite des Ärmelkanals liegt . Als ich nurmal auf der Toilette und danach plötzlich der ganze Platz in dichten Nebel gehüllt war, so dass ich kaum unser Auto mit Zelt wiedergefunden habe. So schlimm ist es heute nicht. Aber man merkt die Abkühlung, und später beim Radfahren machen sich meine Bronchien bemerkbar. Außerdem wird mir bei der Abfahrt nach Dorduff echt kalt mit meinem kurzärmeligen Shirt. Von Dorduff bis Morlaix fahre ich stop and go. immer wieder muss ich fotografieren. Ich mag Aufnahmen mit Nebelschwaden. Je weiter ich in die Bucht komme, desto wärmer wird es. In Morlaix ist es angenehm warm. Kaum zu glauben, dass inzwischen Oktober ist. die Leute laufen mit unbedeckten Armen und Beinen herum. Da ich noch ein paar Mitbringsel einkaufen will, strampele ich noch nach St. Martin hoch zu dem großen Supermarkt. Ich freue mich schon auf die Abfahrt - eine andere Straße entlang - obwohl ich mir immer noch nicht sicher bin, ob ich da überhaupt mit dem Rad fahren darf. Sie sieht eher aus wie eine Route Nationale. Die Zweifel legen sich heute. Hinter mir fährt die Polizei, überholt mich ....und stoppt mich .....nicht. Mir fällt ein Stein von Herzen. 

Bemerkung: ich überlege gerade, wie ich das alles übermorgen im Rucksack unterbringe, wenn ich ihn für die Rückreise packe.

 

Samstag, 04.10.2014 ....8 km

Ich bin schon halbneun wach, es regnet, besser gesagt, es nieselt erstmal nur. Sieht auch nicht so aus, als könnte es aufklaren. Somit ziehe ich mit meinem Frühstück heute ausnahmsweise ins Untergeschoss, wo der Fernseher steht. Aus der Fernsehzeitung weiß ich, dass mehrere Folgen von "Le destin de Lisa" ausgestrahlt werden, in Deutschland besser bekannt als "Verliebt in Berlin". Ist schon ulkig, wenn bekannte deutsche Schauspieler plötzlich französisch quasseln. Danach gehe ich nach oben und draußen  fängt es richtig an zu schütten. Na super! Mit Schrecken fällt mir ein, dass ich nur noch wenig Baguette habe. Ich muss also heute nochmal raus. Nun, dann kommt eben die komplette Regenausrüstung - Regenhose, Regenjacke, Überzieher für die Schuhe und für den Helm - zum Einsatz. Dafür habe ich sie schließlich mitgebracht. Unterwegs wird das Wetter noch schlimmer, der Wind fegt mich fast von der Sraße in den Straßengraben. In Le Cloitre St. Thegonnec soll es eine Boulangerie geben. Die ist auch gut ausgeschildert und entpuppt sich zusätzlich als Epicerie. Noch vorhin habe ich mich geärgert, dass ich gestern im Supermarkt kein Cassoulet - französischer Dicke-Bohnen-Eintopf mit Wurst und Fleisch drin - mitgenommen habe nach dem Motto : nun auch nicht mehr. Oh Freude !!! Das gibt es hier auch. Mit Cassoulet, einem Pain und einem Mille feuille - Blätterteigkuchen mit Pudding zwischen den Schichten und Zuckerglasur obenauf - kämpfe ich mich zu meinm Häuschen in Quillien zurück. Ich bin klatschnass. Nach kurzer Zeit sieht es im Haus aus wie in einem Camp. Überall hängen tropfende Klamotten. Mittags mache ich mir mein Cassoulet. Es erinnert mich an verregnete Campingtage. Da hatten wir in der Vorratskiste auch immer 1 - 2 Dosen für den Notfall. Danach mache ich es mir im Sessel gemütlich, löse Sudoku und höre Musik. Dazu probiere ich, was meine Stimme macht. Ohwei, am Mittwoch ist die erste Probe nach der Sommerpause und ich habe seit dem letzten Konzert keine Stimmübungen mehr gemacht. So klingt es auch. Hier im Haus kann ich ungestört üben. Die Fenster sind zu und ich bin allein. Sowas könnte ich für immer gebrauchen. Im Laufe des Nachmittgas verzieht sich der Regen, sogar die Sonne kommt raus, aber immer wieder ziehen dicke dunkle Wolken am Dachfenster vorbei ud ich bin sehr skeptisch. Einmal Komplettdusche am Tag reicht! Ärgerlich ist nur, dass heute den ganzen Tag in Morlaix  Markt war. Da wollte ich hin....Und die Ile de Callot morgen wird auch nichts. Habe die Rechnung bzw. die Planung ohne die Gezeiten gemacht. Einen  Gezeitenplan gab es trotz vielem Kartenmaterial leider nicht und ich habe mir diesen diesmal nicht sofort  geholt. Passt gar nicht zu mir, da ich mich am Meer immer als erstes über Ebbe und Flut erkundige. Nunja, vielleicht wird das Wetter morgen besser. Dann werde ich trotzdem ans Meer fahren.

Bemerkung: so einen ganzen Tag chillen, tut auch mal ganz gut.

 

Sonntag, 05.10.2014 ...63,5 km

Juchhu, es ist schönes Wetter, das heißt, es gibt am letzten Tag noch einmal eine ausführliche Radtour für mich. Um elf Uhr bin ich startbereit . Es hat ganz schön abgekühlt. Das merke ich bei der kilometerlangen Abfahrt, die größtenteils durch Waldgebiete führt. Ich friere, da ich nur ein dünnes langärmeliges Funktionsshirt unter dem Trikot trage. Ich bin froh, als ich den Wald passiert habe und lasse mich von der Sonne etwas wärmen. Durch Morlaix fahre ich nun schon zum 4. Mal nach Carantec. Um Viertel vor eins bin ich da und erwische sogar noch eine offene Patisserie. Die Pizzastücke, die in der Auslage liegen, sehen zum Anbeißen aus und so nehme ich mir so ein Sechstel Pizza mit. Etwas Süßes muss natürlich auch sein - ist  ja schließlich der letzte Tag - und so kaufe ich auch noch eine Art Himbeerschnitte . So versorgt suche ich mir den Weg zum Hafen, wo ich auch die Straße zur Ile Callot vermute. Und richtig! Ein Schild dort weist darauf hin, dass die Straße nur bei Ebbe befahrbar ist. Ja aber die Flut ist schon im Anmarsch. Ich fahre bis dorthin, wo das Wasser steht und gucke sehnsüchtig hinüber zur Insel. Noch ist sie eine Halbinsel, denn es gibt  einen Weg für Fußgänger, der aber etwas länger und noch durchgängig ist. Das Risiko möchte ich jedoch nicht eingehen. Ich habe keine Lust im Ernstfall bis zum späten Abend auf der Insel auszuharren. Das würde eine Nachtfahrt nach Quillien bedeuten und außerdem muss ich heute noch packen für die Heimreise. So fahre ich die Straße wieder ein kleines Stück zurück und mache es mir auf einer Bank gemütlich. Ich lasse mir meine Pizza und mein Törtchen schmecken und gucke zu, was sich flutmäßig tut. Ein Auto pirscht sich langsam von der Insel zum Festland - über sandiges tangiges unwegsames Gelände, im Schneckentempo den Weg suchend, denn die Straße ist ja schon geflutet. Der Fahrer schafft es noch rechtzeitig bis zum Festland, 10 Minuten später ist die Insel komplett von Wasser umgeben. Die Sicht ist heute sehr gut. Auf der anderen Seite der Bucht kann ich gut St. Pol und Roscoff erkennen. Vor Roscoff hat eine Riesenfähre angelegt. Ich sehe im wahrsten Sinne des Wortes fern. Irgendwann mache ich mich schweren Herzens auf die Rückfahrt. Immer wieder schaue ich auf das Meer, bis es nach einer Kurve verschwunden ist. Straff trete ich durch bis Morlaix. Über mir verdichtet sich der Himmel. Noch mal nass werden? Muss nicht sein und somit mache ich mich auf meine letzten 15 km. Ich nehme unterwegs ein paar Pflanzen mit Wurzeln mit. Die sollen bei R. auf's Grab. Vielleicht wachsen sie an. In Quillien mache ich mich sofort daran, den Rucksack zu packen und das Fahrrad reisefertig zu verpacken. Fahrrad geht ja schnell, aber der Rucksack scheint geschrumpft zu sein. Immer mehr Sachen tauchen auf, die noch hinein müssen. Dabei habe ich doch gar nicht sooo viel gekauft. Ich schaffe es dann doch, fast alles unterzubringen, da taucht das nächste Problem auf. Wie kriege ich meine Wirtin heute noch zu mir für die Endabrechnung? Außerdem brauche ich morgen ein Taxi nach Morlaix! Am Telefon kann man sich schlecht mit Händen und Füßen verständigen. Mittels meines Franklins flicke ich mir einen Satz auf französisch zusammen, den die Wirtin am Telefon sogar versteht. Eine halbe Stunde später steht sie vor meinerTür, wir machen Abrechnung und sie wird mir ein Taxi bestellen. Wir radebrechen noch ein wenig auf französisch - ein bisschen habe ich dazugelernt - und englisch - ein paar Brocken davon kann sie nämlich - und verabschieden uns bis morgen früh.

Bemerkung: Was nicht mehr in den Rucksack ging, habe ich in den Minirucksack gepackt, den ich an der Granit Rose gekauft habe. Den werde ich dann halt vorn tragen.

 

Montag, 06.10.2014

Der Himmel weint. Ich bin heilfroh, dass mich nachher ein Taxi nach Morlaix bringen wird. Ich hatte ursprünglich mit dem Gedanken gespielt, das Geld zu sparen und mit dem Rad zu fahren.Schließlich geht es ja nur bergab. Aber manchmal kann ich auch vernünftig sein. Da ja alles schon gut verpackt dasteht, kann ich in Ruhe frühstücken, noch belegte Baguettes herstellen für die Zeit bis ich in Paris wieder im Thalys sitzen werde -ich rechne felsenfest damit, dass ich dort wieder bewirtet werde - und noch ein wenig aufräumen und saubermachen. Die gesparten Kosten für die Endreinigung entsprechen dem Taxipreis. Mein Taxi kommt pünktlich, der Fahrer räumt im strömenden Regen mein Gepäck hinein, meine Wirtin ist auch zur Stelle. Wir umarmen uns zum Abschied und dann lasse ich mein Häuschen hinter mir. Ja,  es ist MEIN Häuschen, ich habe es liebgewonnen und würde am liebsten immer dort wohnen. Als wir am Bahnhof in Morlaix ankommen, hat es aufgehört zu regnen. Der Taxifahrer hat seine Brieftasche vergessen und ich habe nur große Scheine bis auf einen Zwanziger. Er will sich damit zufrieden geben, wechseln soll ich nicht gehen, aber er war doch so nett !!! Ich kratze mein ganzes Klappergeld  zusammen und überreiche ihm schließlich 28 Euro. Er strahlt. Mein Zug wird erst in einer Stunde abfahren. Also besuche ich den Bahnhofsladen und suche dort Sudokus. In Frankreich gibt es ein wesentlich größeres Angebot an Heften mit schwierigen Sudokus. Außerdem sind die Hefte billiger als in Deutschland. Ich finde keine, fische mein eigenes Heft aus der Tasche und zeige es der Verkäuferin. Und dann lacht mein Sudokuherz, als sie mir eine ganze Auswahl im Regal hinter sich präsentiert. Vier davon sind ab jetzt mein. Beim Bezahlen bekomme ich 10-Euro-Scheine zurück. Was ist das denn? Solche habe ich doch noch nie gesehen ?  Da hat doch die Bank tatsächlich in der Zeit meines Urlaubes neu gestaltete Scheine ausgegeben. Verwirrend! Auf dem Bahnsteig quassel ich noch mit einem Engländer, der auch deutsch spricht, Dann kommt mein Zug und ich fahre gen Paris. Dort ergattere ich diesmal eine herrenlose Kofferkarre und brauche nicht mein Fahrrad zu schleppen. Später werde ich diese Karre auch klammheimlich irgendwo stehenlassen. Mein Thalys wird um 18 Uhr fahren und mir noch ein Kaffeegedeck bescheren. Ab 19 Uhr bekomme ich ein Abendmenu serviert. Als wir schließlich Köln passiert haben und sämtliches Servicepersonal ausgestiegen ist, fange ich schonmal an , mein Fahrrad auszupacken und zu entfalten. Dann muss ich es in Düsseldorf nicht tragen. Daheim empfängt mich mein mittlerer Soh und das leere,  noch immer chaotische Zimmer meines jüngsten Sohnes. Er hat seinen Plan wahr gemacht und ist asugezogen, weil er absolute Selbständigkeit möchte.

Bemerkung : Im Thalys ab Paris musste ich ständig schmunzeln. Ich konnte gar nicht glauben, dass ich es war, die diese Reise gemacht hat. Ich erinnerte mich zurück an 1989. Wenn mir damals - ich hatte noch dazu gerade mein drittes Kind geboren - jemand gesagt hätte, dass ich in 25 Jahren allein durch Frankreich reisen würde, hätte ich den für verrückt erklärt....Und ich habe mir vorgestellt, was R. zu meiner Reise gesagt hätte - nämlich : "Mach mal, vielleicht wird es schön. Gut, wenn du dich unabhängig von mir machst."

 

 

 

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