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 Ich war wieder unterwegs in Frankreich - wieder mit Zelt und Faltrad......Reiseziel war auf alle Fälle das Meer

 

Schon im Vorfeld ging einiges schief. Der Gepäckträger, den ich für mein Faltrad bestellt habe, ist für mein Modell nicht geeignet. Ich versuche dennoch die Packtaschen an den bisherigen Gepäckträger ranzufummeln - es funktioniert ...aber ich kriege nicht alles rein. Also wird der Rucksack (60 Liter) wieder hervorgeholt und gepackt wie im letzten Jahr. Das Zelt kommt in die Packrolle und alles auf dem Gepäckträger. An den Lenker friemele ich eine Lenkertasche, die seit 10 Jahren daheim unbenutzt ihr Dasein fristet....Ist ein Billigprodukt, aber schon habe ich noch ein wenig mehr Stauraum. Zudem habe ich ein geschwollenes Knie - woher ich das habe , kann ich nur vermuten.

 

Donnerstag 14,07.16

Ich fahre mit dem Thalys nach Paris und will von dort mit dem Rad in die Bretagne fahren. Geplant ist über Rennes nach Cap Frehel, St. Malo, Granville, Rouen und wieder zurück nach Paris. Erste Station soll der Campingplatz in Versailles sein....soll!!!....die wollen dort über 40 Euro von mir haben, da es keinen Tarif für Wanderer oder Radfahrer mit Zelt gibt. Ergo fahre ich mit dem Zug zurück nach Paris und bin glücklich, dass ich mein Netbook diesmal dabei habe. Über den Free-WIFI-Point im Bahnhof buche ich mir ein Bett in einem Vierbettzimmer im Hotel....wir werden nur zu zweit sein im Zimmer....das Einzige, was ich etwas doof finde, ist, dass mein Co. erst nachts um halb eins anfängt, ihr Bett zu beziehen. Das hätte die Trulla ja auch bei ihrer Ankunft erledigen können.

 

Freitag 15.07.16

Ich räche mich, indem ich um halb neun morgens anfange zu rumoren. Nachts wurde ich zweimal munter vom Schnarchen aus einem der Nachbarzimmer, aber sonst war die Nacht gut. Nach einem kleinen Frühstück, das im Zimmerpreis enthalten ist, realisiere ich den Entschluss, der gestern Abend gereift ist. Ich fahre nach Orleans mit dem Zug und werde die Loire entlang bis zum Atlantik fahren und von dort eventuell einen kleinen Abstecher in die Bretagne machen. Hauptsache ich bekomme in diesem Urlaub mein heißgeliebtes Meer zu sehen.

Da ich ja schon im letzten Jahr an der Loire war, kenne ich auch etliche Campingplätze und die Entfernungen zwischen den Orten. Mein erstes Ziel ist Beaugency. Unterwegs will ich eine vermeintliche Abkürzung fahren und lande auf einer Halbinsel mitten im Fluss. Also toure ich einen Teil der Strecke zurück und bleibe dann ordnungsgemäß auf dem Loireradweg. Leider kann ich mein Zelt nicht auf dem Emplacement bauen, das ich im letzten Jahr belegte, da es wegen Abbruchgefahr des Ufers gesperrt ist. Aber ich finde trotzdem ein anderes schönes Plätzchen.

Als das Zelt dann steht, habe ich endlich das Gefühl, nun im Urlaubsmodus zu sein.

 

Samstag, 16.07.16

Die ganzen Insektenstiche und -bisse, die ich gestern abbekommen habe, zähle ich lieber nicht. So zerstochen war ich seit Jahrzehnten nicht mehr. Ich schlafe bis um halb neun und überlege während des Frühstücks, ob ich meinem Knie einen Tag Ruhe gönne. Das Wetter sieht auch nicht einladend aus. Eine Stunde später habe ich mich entschieden, und ich packe meinen Kram zusammen. Nächstes Ziel ist Blois. Es sind in diesem Jahr wirklich kleinere Etappen, aber ich muss aufpassen, dass ich mir nicht zuviel zumute. Um halb zwei nachmittags treffe ich auf dem Campingplatz ein, finde ein schönes Emplacement und zwei ältere Damen aus Deutschland zum Quasseln. Die freuen sich über meine Tipps und vor allem darüber, dass ich ihnen sage, dass sie auch den Swimmingpool vor den Toren des Platzes kostenlos nutzen können. Das hatte man ihnen gar nicht gesagt. Nach dem Aufbau habe ich mich soweit regeneriert, dass ich die Viertelstunde per Rad in die Stadt in Angriff nehmen kann. Muss mich ja verpflegen und vor allem habe ich bis jetzt noch keine Patisserie besucht. Als ich am Supermarkt ankomme, checke ich, dass meine Brieftasche 15 Minuten von mir entfernt ist. Glücklicherweise bewahre ich meine Visa-Card außerhalb der Brieftasche auf und habe sie bei mir. Somit muss ich nicht zurückfahren. Ein leckeres schokoladiges Teilchen findet den Weg in meinen Magen - das habe ich mir redlich verdient. Wieder zurück auf dem Platz schnappe ich mir meine Badesachen und gehe schwimmen - aber nur kurz, da das Bad heute proppevoll ist.

 

Sonntag, 17.07.16

Gestern kam doch tatsächlich um 11 Uhr nachts noch eine Familie aus Deutschland und baute ihr Zelt auf - verbunden ständig mit Autotür auf und zu....gerade war auf dem ganzen Platz Ruhe eingekehrt. Manche denken halt, sie sind allein auf der Welt. Wenigstens haben sie sich beeilt. Um 8 Uhr war die Nacht dann zu  Ende, nun ja, da kann man auch aufstehen. Ich lasse mir viel Zeit mit frühstücken und packen - das Außenzelt ist innen noch feucht von Kondenswasser  und wird in die Sonne gestellt. In der Zwischenzeit quassele ich noch ein wenig mit den beiden Damen von gestern. 10 vor 11 lege ich dann ab mit dem Ziel Amboise. Ich möchte mir heute endlich das daVinci-Schloss nebst Garten ansehen. Ich halte mich nicht ganz exakt an den Loireradweg, da der gemeinerweise länger ist als die Straße und bergauf bergab durch die ganzen Dörfer führt. Die letzten 10 km fahre ich Bundesstraße und komme schnell voran. Aber der Weg zuvor ist dafür schöner. Ich komme an meiner Unfallstelle vom letzten Jahr vorbei und bei einer Rast treffe ich eine kanadische Familie, mit der ich einen kurzen Talk führe. Ein französischer Radfahrer überholt mich und kann es kaum glauben, dass ich mit meinem kleinen Rad zum Atlantik will.

Den Campingplatz in Amboise erreiche ich um halb drei nachmittags und ich baue mein Zelt an einem scheinbar idyylischen Fleckchen auf, bevor ich mich auf den Weg zu Clos Luce mache - dem daVincischloss. Mit dem Schloss selbst bin ich schnell durch, dafür verweile ich umso länger im Garten. Dort sind alle möglichen Nachbauten von daVincis Erfindungen aufgestellt. Ist schon interessant, was der große Meister alles geschaffen hat. Danach kaufe ich fix mein Abendbrot ein und beschließe zur Pagode de Chanteloup  zu fahren. Nach einer ewigen Fahrt bergan erreiche ich fünf nach sechs verschlossene Tore. Bis 6 wäre offen gewesen. Dafür genieße ich dann geschlagene 7 Minuten nur rollen lassen mit dem Rad. Als ich wieder auf dem Platz bin, trifft mich fast der Schlag. Unmittelbar neben mir hat sich eine Großfamilie mit vielen schreienden kleinen Kindern mit ihrem Zelt installiert. Ich ziehe um. Das geht sehr schnell. Nach Wäschewaschen und Abendbrot schreibe ich meine Tageserlebnisse auf, wobei ich fast von Mücken aufgefressen werde. Da der Campingplatz auf einer Insel in der Loire liegt, sind hier besonders viel von den Biestern. Also verziehe ich mich ins Zelt. Es scheint Usus zu werden, dass neben mir erst spät aufgebaut wird, denn diesmal kommt ein junges Pärchen zu sehr später Zeit an.  Aber um 23 Uhr ist zumindest im Zeltareal absolute Stille.

 

Montag, 18.07.16

Die Sonne knallt schon seit morgens gnadenlos. Kein Wölkchen ist am Himmel zu sehen. Na toll - ich habe mir gestern schon die Schultern verbrannt trotz Sonnencreme. Das Packen geht heute nur langsam, danach bin ich schon durchgeschwitzt. Heute will ich bis Langeais kommen, weiß aber nicht, ob ich das schaffen werde. Schon in Tours bin ich ziemlich k.o. - vor allem aber durstig. Ich verfahre mich in Tours, da ich keinen Stadtplan habe und einen Loire-de-Velo-Wegweiser übersehen haben muss. Irgendwie finde ich wieder auf den richtigen Weg und dort komme ich an einer Dönerbude vorbei. Ein Menu - bestehend aus Döner, Pommes und Getränk - findet den Weg in meinen Magen und die bedienenden Männer sind so nett, meine Wasserflasche zu füllen.

Jetzt gebe ich aber Obacht, dass ich keinen Wegweiser mehr übersehe. Ich fahre exakt den gleichen Weg wie letztes Jahr nur in der Gegenrichtung und erinnere mich, dass es damals auch so warm war und dieses Stück Weg sich wie Kaugummi zog. Ich komme bis kurz vor Villandry und checke auf dem Campingplatz in Savonnieres ein. Nachdem ich ganz langsam mein Zelt aufgebaut habe - dabei immer wieder Verschnaufpausen im Schatten mache - resümiere ich, dass ich bis jetzt 5 Liter Flüssigkeit verbraucht habe. Das muss alles verdampft sein, denn auf'm Klo war ich das letzte Mal in Amboise. Nach dem Aufbau gehe ich ins Örtchen, kaufe meinen Tagesbedarf ein, setze mich auf eine Bank an der Cher und schaue zu, wie auf der anderen Seite viele Menschen sich im Fluss abkühlen und den Radfahrern, die immer noch auf dem Weg zu ihrem nächsten Ziel sind. Später sitze ich dann vor dem Sanitärtrakt und löse Sudoku, während mein Netbook an einer frei zugänglichen Steckdose hängt. Einige Kinder hier auf dem Platz sind da wesentlich frecher. Die blockieren einfach die Waschkabinen, um auf ihren Smartphones zu spielen.

Beim Abendbrot merke ich, dass mir mein schönes leichtes Campingmesser abhanden gekommen ist. Das ist sehr schade, denn ich hatte es mir irgendwann mal aus England mitgebracht. Wahrscheinlich ist es mir in Amboise verlustig gegangen.

Abends kommen die Mücken in Scharen - wir sind unmittelbar am Fluss und es ist immer noch sehr warm. Eine Mücke erwische ich, dass sie den Weg ins Innenzelt schafft - selbst schuld, sie lebt nicht mehr lange.

 

Dienstag, 19.07.16

Die Nacht war sehr warm. Ich habe sie diesmal nicht im Schlafsack zugebracht und meine Frühstücksmilch ist auch nicht richtig kühl. Ich wache um 7.15 Uhr auf und fange gleich an zu packen außer allem, was mit Zelt zu tun hat. Das muss erstmal trocknen, denn Kondenswasser hat sich trotzdem gebildet. Nach dem Duschen und Frühstücken wird auch das Zelt verpackt und um 9.30 Uhr lege ich ab. Am Ausgang vom Platz stehen Vater und Tochter mit ihren Rädern, bei denen das eine an der Bremse schleift. Meine Hinterradbremse ist auch nicht in Ordnung. Das Stück, das über die Spannschraube herausragt, ist abgebrochen. Nun weiß ich nicht, wie lange ich noch bremsen kann, bis der Bremszug rausrutscht. Hilfe kommt in einem Dorf, das ich glücklicherweise schlendernd zu Fuß durchquere. Vor einer Fahrradpension werde ich angesprochen, ob ich Hilfe brauche, obwohl ich eigentlich mehr was zu trinken suche. Ich erkläre mein Bremsenproblem und bekomme es repariert, während ich mich mit dem Mann auf Deutsch unterhalte. Er ist Schweizer und hat es in der Schule gelernt. Als ich gerade wieder losgefahren bin, treffe ich Vater und Tochter vom Campingplatz, denen ich sogleich die Fahrradreparatur empfehle. Gegen 13 Uhr komme ich schweißgebadet in Chinon an. Der Weg hierher war an sich recht schön, aber die letzten 3 km verärgern mich. Ich hätte weiter geradeaus fahren sollen, als der Wegweiser mich nach rechts führte. Schließlich kenne ich die Gegend vom letzten Jahr. Dass ich auf dieser ekligen Schnellstraße mit Radweg daneben herauskommen würde, die noch dazu ein ewiger Anstieg bis an die höchste Erhebung Chinons ist, hatte ich nicht auf dem Schirm. Ich baue mein Zelt auf demselben Emplacement auf wie im letzten Jahr, spanne meine Wäscheleine, hänge den Schlafsack und einige klamme Sachen auf und gehe kurz in die Stadt. Danach hole ich mein Rad und fahre zum Supermarkt. Als ich wiederkomme, hat meine Wäsche  Gesellschaft von männlicher Wäsche bekommen. Ich habe schon meine holländischen jungen Nachbarn in Verdacht, mit denen ich vorhin kurz geplaudert habe, da naht sich schon der Besitzer. Es ist ein englischer Radfahrer so um die fünfzig, der seine Sachen gewaschen hat und meine Leine in der prallen Sonne einladend fand. Er fragt mich, ob das okay sei. Na klar, Radfahrer helfen sich doch untereinander. Ich wasche auch meine Wäsche und hänge sie daneben, platziere mich im Schatten mit Sudoku und Buch und gucke ab und an die Wäsche an.Es erinnert mich ein wenig an die Zeiten, als ich mit meinem Partner campte.

Das Ausruhen heute Nachmittag und Abend tut gut und wahrscheinlich werde ich morgen einen Faulenzertag einlegen.

 

Mittwoch, 20.07.15

Es ist immer wieder erstaunlich, wie es um 23 Uhr plötzlich ganz stille auf den Campingplätzen wird, obwohl man 15 Minuten vorher denkt, der Lärm geht die ganze Nacht durch.

Heute Morgen ist es wieder etwas kühler. Früh um halb acht scheint die Sonne - verschwindet aber gegen 10 wieder. In der Ferne grollt es. Ich räume mal schon alles ins Zelt, verschließe es und gehe Morgentoilette machen. Als ich fertig bin, fängt es tatsächlich an zu regnen. Fix flitze ich zum Zelt, hole mein Netbook und meine Wertsachen und begebe mich in den Bücherraum. Dort kann ich mein Netbook heimlich laden und lesen...und die Bücher wieder richtig nach Sprachen sortieren - man kann halt nicht raus aus seinem Beruf.  Um halb eins beschließe ich, da es nur ein kurzer Schauer war, eine kleine Tour mit dem Rad zu machen. Ich werde schon mal ein bisschen den weiteren Weg erkunden. Bis Savigny-en-Veron sind es 10 km und die Strecke ist schön flach. Von dort aus wären es dann bis Saumur 24 km. Vielleicht komme ich auch weiter, wenn nicht wieder so viele Anstiege dabei sind und vor allem, wenn es nicht so heiß ist. Solches Wetter wie heute wäre angenehm. Es ist ein wenig kühler und es pieselt ab und zu ganz leicht. Den Unterschied bestätigen mir später auch andere Radfahrer. Aber erstmal fahre ich wieder zurück nach Chinon, kaufe ein, lese wieder ein bisschen im Bücherraum und fahre in der Stadt an die höchste Erhebung, wobei ich ein spanisches Paar vom letzten Campingplatz treffe, und dann wieder runter. Zwischenzeitlich treffe ich ein italienisches Paar vom letzten Campingplatz. In der Apotheke kaufe ich mir Voltarenschmerzgel - mein Knie spinnt heute am Ruhetag besonders. Kann auch das Wetter sein.

Als ich abends das kleine Vorhängeschloss meines Zeltes öffnen will, merke ich, dass ich die Schlüssel dazu verloren habe. Es ist schon fast dunkel - was nun? Ich frage meine holländischen jungen Nachbarn, ob sie mir helfen können. Sie versuchen es, schaffen es aber auch nicht. Dabei ist es nur ein Billigschloss. Ich spiele schon mit dem Gedanken, die Nacht im Bücherraum zu verbringen - da steht nämlich eine Couch. Aber einer der jungen Männer hat dann die rettende Idee, nicht das Schloss zu demolieren, sondern vielleicht den Zipper zu zerbrechen. Mit einem Häring ist die obere Öse tatsächlich schnell zerbrochen, die Funktionsfähigkeit des  Zippers hat darunter nicht gelitten. Froh und dankbar ziehe ich in mein Zelt ein.

 

Donnerstag, 21.07.15

Um 6.15 Uhr wache ich auf, schlafe wieder ein und stehe dann 8.15 Uhr auf. Ich fange an zu frühstücken, habe aber keinen richtigen Hunger und beschließe angesichts des Wetters, dem ich nicht so ganz traue, zu packen. Danach habe ich auch endlich Hunger, setze mein Frühstück fort, dusche, bezahle und ab geht's nach Saumur. Die ersten 10 km kenne ich schon, dann befahre ich Neuland bis Candes-St.-Martin. Ab Montsoreau kenne ich die Strecke auch noch nicht, denn im letzten Jahr fuhr ich auf der anderen Flussseite. Wie üblich geht es nach einer Weile wieder ewig bergauf - der Loireradweg nimmt halt die ganzen Dörfer mit, die ja auch schön anzuschauen sind. Irgendwann komme ich auch an einem wunderschönen Aussichtspunkt an und sehe doch tatsächlich, dass da unten auf der Autostraße auch ein Radweg langführt. Als ich meine Fahrt fortsetze, die jetzt erstmal bergab geht, komme ich an eine Kreuzung, wo der offizielle Loireradweg nach links abbiegt. Nicht mit mir! Ich biege rechts ab und da ist auch schon mein direkter ebener Weg nach Saumur. In der Stadt angekommen, genehmige ich mir ein Sandwich - das ist hier kein Toastbrot mit was dazwischen sondern so eine Art Baguette mit Belag - und überlege, was ich jetzt bis 17 Uhr in der Stadt anstellen soll, da mir Deutsche gestern erzählt haben, dass der Campingplatz erst ab dann die Neuankömmlinge drauflässt. Ich fahre trotzdem auf die Insel, auf der er liegt, finde ihn auch diesmal - letztes Jahr war ich dazu zu doof - und frage an der Rezeption nach dem Preis...und oh Wunder, ich darf schon einchecken und sogar nochmal das zugewiesene Emplacement wechseln. Meine Nachbarn sind diesmal auf der einen Seite Neuseeländer mit einem Tandemfaltrad und auf der anderen Seite eine ältere Amerikanerin auch mit einem Faltrad. Ist schon lustig, dass ausgerechnet die Faltradfraktion zusammengefunden hat. Nach dem Zeltaufbau erobere ich die Stadt und fahre/schiebe auch ganz hinauf zum Chateau und der Aussichtsplattform. Um 19 Uhr bin ich wieder auf dem Campingplatz. Bald kommt die Amerikanerin und will sich unterhalten. Als ich ihr sage, dass meine anderen Nachbarn aus Neuseeland sind, schwirrt sie davon und gesellt sich bald zu denen. Somit kann ich in Ruhe mein Tagebuch schreiben. Doch irgendwann kommt sie wieder, als ich gerade beim Abendbrot sitze, setzt sich zu mir und gemeinsam essen wir zu Abend und quasseln dabei. Irgendwann ist sie aber dann müde und verzieht sich ins Zelt und ich gehe nochmal zu Fuß bis zu der Brücke, die ins Zentrum führt. Es ist schon fast dunkel, als ich wieder am Zelt bin.

 

Freitag, 22.07.16

Heute habe ich mir eine große Etappe vorgenommen. Ich möchte Angers erreichen.

Ich habe die Strecke vernünftig gewählt - es gibt keine Steigungen. Nur mein Fahrrad und mein Po müssen einiges aushalten. Heute ist alles dabei an Untergrund - Asphalt, Schotter, nur schmale Fahrrinnen, Absturzgefahr. Die Route führt rechts der Loire nach  Gennes, dann links der Loire bis St. Remy-la-Varenne, wieder auf die andere Seite nach St-Maturin sur Loire - dort hatte ich im letzten Jahr das allererste Mal meine Zelt aufgebaut - bis nach Les Ponts-de-Cé, wo der anvisierte Campingplatz sich befindet. Erstmal lande ich aber auf einem anderen, der mitten in der Pampas liegt und bestimmt nicht über WIFI verfügt. Und ich möchte doch meine täglichen Eintragungen machen!

Nachdem ich mein Zelt aufgebaut habe, bin ich ganz kühn und beschließe nach Angers hinein zu fahren. Es ist weiter als gedacht und vor allem stehe ich plötzlich vor einer Autobahn. Ich sehe keinen Ausweg, wo ich langfahren könnte. Während ich noch die Karte studiere, wo ich sein könnte, saust ein junger Mann mit Fahrrad, Gitarre und Rucksack an mir vorbei. Ich sehe noch, wohin er verschwindet, und packe ganz schnell, in der Hoffnung ihm folgen zu können. Aber er ist weg. Ich versuche dennoch die Richtung  vorbei an einem Schrottplatz, komme nach einer Weile an einen riesigen wilden Camperplatz (vielleicht auch Roma?), stehe - wegen Falschabbiegens - plötzlich in einer Sackgasse am Flussufer, hoppele dann ewig durch ein Wäldchen und stehe plötzlich an einer Mauer. Aber es gibt eine schmale steile Treppe zum nächsten Plateau, die  mit einem Faltrad unterm Arm nicht ganz einfach ist. Es folgt eine weitere Treppe und plötzlich bin ich wieder ganz zivil auf einer Straße, die nach wenigen hundert Metern am Chateau von Angers endet. Na bitte - geht doch. In Angers war ich mehrmals mit meinem Partner und irgendwann kommen plötzlich die Tränen der Erinnerung. Wie schön wäre es, wenn er jetzt neben mir gehen würde. Ich schlendere durch die Stadt, kaufe mir ein kleines Menu, schiebe wieder hinauf zum Plateau des Chateau, setze mich dort auf eine Bank und lass es mir schmecken. Wurde auch Zeit, die letzte Mahlzeit ist fast 9 Stunden her. Den Rückweg wähle ich anders nämlich über Trélazé. Es geht große Strecken nur bergab. Erschöpft komme  ich schließlich um halb acht wieder an  meinem Zelt an. Tagebuch schreibe ich diesmal an einem Tisch im Waschmaschinenraum. Stühle gibt es keine - ein umgedrehter hoher Abfalleimer tut es auch. Somit kann ich nämlich auch gleich mein Netbook laden. Dabei werde ich beschallt von Folkloremusik aus dem kleinen Park neben dem Campingplatz. Ich hoffe nur, dass es nicht bis tief in die Nacht gehen wird. Später schaue ich dann mal nach, wer da eigentlich spielt. Es ist ein Quartett aus Sängerin, Akkordeon, Saxofon und Schlagzeug. Wenn die Sängerin mal Pause hat, klingt es eigentlich sehr angenehm. Die Menschen tanzen dazu alle Tanzrichtungen.

 

Samstag, 23.07.16

Kurz nach halbzwölf war endlich Schluss mit Musik. Ehe der Platz in Ruhe versank, dauerte es allerdings bis nach Mitternacht.

Heute habe ich lange geschlafen und dann mir mächtig Zeit gelassen, so dass ich erst Viertel vor elf gestartet bin.

Ich fahre Richtung Angers diesmal über Bouchemaine. Unterwegs komme ich an einer mächtigen Qualmwolke vorbei, in der sich ein Auto befindet. Eine junge Frau mit Baby konnte sich daraus retten. Sie benötigt aber keine Hilfe und so fahre ich weiter. In Bouchemaine treffen sich die Loire und die Maine und die Fahrradrouten E6 und die 43. Die E6 verbindet über die Loire das Schwarze Meer mit dem Atlantik, die 43 kommt von der Küste der Normadie. Da ich ja jetzt gen Norden fahren möchte, wechsele ich also den Fluss und fahre die Maine hinauf. Es geht durch Angers, ich gerate auf einen Triathlonkurs - glücklicherweise noch ohne Wettkämpfer - und dann geht es idyllisch immer am Wasser lang bis Montrieul-Juigne, von da eine kleine Straße bis nach Grez-Neuville, wo ich wieder an einem Unfall vorbeikomme - eine Familie ist mit ihrem Bus im Straßengraben gelandet - und von da wieder Waldweg bis Le Lion d'Angers. Mein Knie tut höllisch weh und mein Po möchte auch keinen Sattel mehr sehen. Ich checke auf dem Campingplatz ein, suche mir ein lauschiges Plätzchen und gucke mir noch ein wenig den Ort an. Ab halbsechs bin ich wieder auf dem Platz, wasche Wäsche und platziere mich auf meinem Badetuch schön im Schatten. Bevor ich Kartenstudium betreibe,  schmiere ich mein Knie mit Voltaren ein und genehmige mir eine Novamin. Alles zusammen merke ich dann nach ca. 2 Stunden, denn mir geht es merklich besser. Der Platz ist währenddessen ruhig, da er auch nicht so voll ist. Ich habe Mühe, dass ich nicht der Versuchung erlege einzuschlafen. Dann gehe ich zum WIFI-Point am Einlass, wo jetzt auch niemand mehr ist, und kann wieder schreiben.

 

Sonntag, 24.07.16
Gestern Abend wollten sich doch tatsächlich ein paar Jugendliche, die nicht zum Campingplatz gehören, mit Radio auf der Freifläche neben meinem Zelt niederlassen. Ich habe nur kurz meinen Kopf aus dem Zelt gesteckt und den Finger an die Lippen gelegt. Da sind sie wieder abgezogen. Es war himmlisch still auf dem Platz. Da sehr feuchte kühle Luft herrschte, musste ich ausnahmsweise mal raus. Schlaftrunken bin ich aus dem Zelt gestolpert, als ich mich aufrichten wollte, und voll auf dem Gesicht gelandet. Nun ziert eine Schramme meine Stirn.
Heute Morgen werde ich um halb acht wach - warum gongt der Kirchturm im Ort 2x dreimal? Muss mal jemanden fragen, der Ahnung hat. Ich stehe auf, packe langsam meinen ganzen Kram und kann schließlich 10 Uhr starten. Der erste Kilometer ist immer der schlimmste, dann habe ich mich eingefahren. Zunächst fahre ich nur Straße, aber dann bin ich bald wieder am Fluss bis zu meinem Ziel. Unterwegs ist in einem Dorf gerade Pain-Feté - nachmittgas wird ein Badewannenpaddeln auf der Mayenne stattfinden. Ich treffe dort auch meine Nachbarn vom Campingplatz wieder - ein sehr altes Ehepaar. Wir freuen uns, dass wir uns nochmal sehen, dann fahre ich weiter. Viertel vor eins komme ich auf dem Campingplatz in Chateau-Gontier an. Hätte mich ein Wegweiser nicht in die Irre geführt (nicht nur mich übrigens), wäre ich bis halbeins dagewesen und die Rezeption noch geöffnet erwischt. Somit muss ich bis 14 Uhr warten und platziere mich so, dass ich wirklich die erste bin. Das Warten hat auch seinen Vorteil, ich ruhe mich nämlich aus. Nachdem ich endlich einchecken kann, baue ich mein Zelt auf, was nicht so einfach ist, da der Campingplatz an einem Hang gelegen ist. Ich finde eine Stelle, an der ich heute Nacht hoffentlich nicht von meiner Matte rollen oder rutschen werde. Danach fahre ich in die Stadt um sie zu besichtigen und vor allem um Nahrung zu finden. Die an einem Berg liegende Stadt gefällt mir gut, aber ich finde nur eine Patisserie, die aber weder Milch, Wurst und Wein führt. Schließlich frage ich im Office de tourism nach und die freundliche Frau sagt mir, dass es Wein auf dem Campingplatz zu kaufen gibt. Na toll, hätte vielleicht bei der Anmeldung mal die Augen aufsperren sollen. Ich fahre zurück mit wenigstens einem Baguette im Gepäck und bekomme tatsächlich auf dem Platz meinen Wein und sogar Milch. Frühstück ist also gesichert, Abendbrot gibt es beim Dönertürken, der sogar letztes Jahr eine Auszeichnung bekommen hat. Aber erstmal gehe ich duschen und pflanze mich in einen Liegestuhl und mache Sudoku.
Nach dem Abendbrot möchte ich mich ins Internet einloggen, aber es ist kein Netz da. Entpuppt sich aber als Missverständnis - ich war der Meinung WIFI gibt es nur in der Nähe der Rezeption. Da ich aber Tagebuch schreiben will, mache ich das diesmal offline - gar nicht so leicht, wenn man kein MS-Office auf dem Netbook hat. Mir kommt eine Idee. Am Wohnungsschlüssel habe ich einen Stick - da wird doch sicherlich irgendeine Worddatei drauf sein. Ist auch, aber das Netbook will mit MS-Office öffnen. Mir gelingt es schließlich, die Datei mit dem Editor zu öffnen. Mensch - den habe ich doch die ganze Zeit vergeblich auf dem Netbook gesucht. Jedenfalls kann ich nun meine Erlebnisse aufschreiben, auch wenn ich mal einen Campingplatz ohne WIFI erwische. Leider gibt es Internet nur für eine Stunde, dann ist Schicht im Schacht. Ich schlendere zur Rezeption, da soll heute Lotto sein. Man kann ja mal zugucken. Es stellt sich heraus, dass einer vom Personal deutsch spricht. Er hat schon ein paar Mal in Deutschland zugebracht. Wir verbringen über eine Stunde mit deutsch sprechen, erklären, wann welches Wort genommen wird bzw. wenn ich Wörter benutze, die er nicht kennt, muss ich das umschreiben. Ich bin echt gefordert. Lustig ist, dass er immer im Schwabenland war und somit ein wenig Dialekt kann.

 

Montag, 25.07.16

Ich habe schlecht geschlafen, ständig bin ich von der Matte gerollt oder nach unten gerutscht. Dazu war es nicht richtig warm und nicht richtig kalt. Dann schrie mitten in der Nacht ein Käuzchen und als es tagte, begannen die Tauben ihr Gegurre. Ich bin doch nochmal eingeschlafen und Viertel vor acht aufgewacht. Ein Blick aus dem Zelt sagt mir, dass ich vielleicht schnell packen sollte, denn es sieht nach Regen aus. Noch ist das Zelt trocken. Um 9 Uhr bin ich fertig, gehe mich waschen und frühstücke. Um halb zehn lege ich ab. Es geht weiter immer am Fluss lang. Während gestern noch mir immer wieder Familien zu Fuß oder auf dem Rad entgegen kamen, bin ich heute mutterseelenallein - abgesehen von einigen Fischern. Unterwegs erwischt mich doch noch ein Regenguss. Als ich mich gerade umgezogen habe, hört es auf. Nun lasse ich die Regensachen erstmal an, ich trau dem Frieden nicht. In Laval angekommen, ziehe ich sie wieder aus...und es fängt nochmal leicht an zu pieseln, aber ich lasse mich nicht vom Wetter veräppeln. Der Campingplatz ist einige Kilometer entfernt in einem kleinen Dorf (oder Stadt?)  - den Weg dahin zu finden, ist gar nicht so leicht, da hier etliche Routes nationales verlaufen, auf denen ich mit meinem Rad nichts zu suchen habe. Dazu geht es ständig bergauf. Aber irgendwann kommt endlich der erste Hinweis auf den Platz. Ich baue mein Zelt auf, einchecken kann ich erst später, da die Anmeldung erst in 2 Stunden wieder geöffnet ist. Nach dem Aufbau fahre ich zu Leclerc - einem großen Supermarkt - ich habe Hunger und brauche auch Abendbrot und Frühstück. Wie immer, wenn ich bei Leclerc einkaufen gehe, wird es zum Abendbrot leckeren Wurstsalat geben.        Wieder auf dem Platz zurückgekehrt, setze ich mich in den Schatten, während im Babywaschraum mein Netbook lädt, und beobachte die Neuankömmlinge beim Zeltaufbau. Später schreibe ich am WIFI-Point mein Tagebuch.                                                     Nachtruhe tritt diesmal erst halbzwölf ein, da die Jugendgruppe auf der untersten Etage des Platzes noch ewig herumschreit - halt typisch Teenager. Ich verstehe an diesem Platz sowieso einiges nicht. Der Platz ist klein auf 3 Ebenen, von denen die unterste komplett belegt ist von Kinder- und Jugendgruppen. Viele Plätze sind reserviert und viele sind belegt von Arbeitern, die auf dem Campingplatz solange leben.

 

Dienstag, 26.07.16

So richtig gut war meine Nacht diesmal auch nicht. Irgendwie hatte ich doch ein wenig Schieflage. Um halb acht werde ich wach von dem Geschnatter dreier packender jungen Frauen - also stehe ich auch auf und packe. Um halb zehn lege ich ab - zeitgleich mit den Frauen. Viele Wege führen zurück nach Laval. Die Frauen nehmen eine andere Route als ich - mitten in Laval begegnen wir uns nochmal. Es ist wieder recht einsam auf dem Weg am Fluss - aber doch ein wenig frequentierter als gestern. Ich mache viele Pausen - heute merke ich auch warum. Ganz unmerklich , aber wirklich nur minimal steigt der Weg an. Dazu bläst der Wind aus Norden, also mir entgegen. Der Fluss hat viele Wehre und damit Schleusen, an einem gelingt es mir heute mal den Schleusvorgang zu beobachten. Um halb zwei erreiche ich Mayenne und finde auch schnell den Campingplatz. Ich darf mir mein Emplacement selbst aussuchen, es sind etliche Engländer hier. Mit einem Paar, das mit einem riesigen Concorde-Wohnbus angereist ist, in das hinten der Kleinwagen reinpasst, quassele ich erstmal eine Weile, bevor ich mein Zelt aufbaue. Danach fahre ich zurück in die Stadt - heute ist Kultur angesagt. Ich besichtige das Chateau von dem eine ganze Menge fehlt, aber trotzdem interessant ist. Im Office de tourism frage ich, weil keinen finde, nach einem Laden, wo man Milch, Wein, Baguette kaufen kann, und ich bekomme den Weg zu einem Carrefour-Markt gezeigt. Danach kehre ich zurück zum Platz und betreibe schon mal Kartenstudium. Dazu sitze ich ganz gemütlich auf so einer Kombibank, die man häufig auf Rastplätzen findet. Hier haben etliche Emplacements solche Bänke. Für mich ist das purer Luxus. Und als ich später Tagebuch schreibe, genieße ich zudem, dass auf dem gesamten Platz WIFI ist, so dass ich ganz gemütlich vor meinem Zelt sitzen kann.

 

Mittwoch, 27.07.16
Gestern Abend wollte ich eigentlich noch mit dem Franzosen auf dem Emplacement gegenüber ins Gespräch kommen, aber meine Engländer waren schneller. Nach einem Spaziergang in die Stadt, den ich eigentlich nur machte, weil es mir auf dem Platz zu kalt war, sprachen sie mich nur kurz an und schon waren wir mitten im Gespräch. Es war noch ein weiterer Engländer mit am Tisch und so quasselten wir bis Viertel nach zehn. Da war es schon dunkel und so verkroch ich mich in mein Zelt.
Heute Morgen wache ich um halb acht auf und genieße beim anschließenden Packen, dass ich die Bank zur Verfügung habe. Um halb neun fängt ein Rasenmäher an zu dröhnen. Kurze Zeit darauf kriechen auch die letzten Schlafenden aus ihren Zelten. Ein anderer (älterer) Franzose verlässt gegen neun den Platz, ich folge Viertel vor zehn. In Mayenne muss ich dankenswerter Weise den ganzen Berg hoch. Ich fürchte schon Schlimmes, doch dann folgen 20 km Radwegallee, die ich tatsächlich in einer Stunde schaffe. Nach weiteren 5km folgt dann ein ewiges Auf und Ab bis ca. 5 km vor Domfront. Und wen sehe ich da plötzlich auf einer Bank sitzen und futtern? Den älteren Franzosen. Die Freude ist groß. Nach einem kurzen Woher und Wohin fahre ich weiter - flache Strecke. Zum Campingplatz führt eine steile Straße hoch. Später wird  mir ein junger Engländer von sich aus erzählen, dass der Anstieg der Hammer war. Oben angekommen baue ich in Ruhe mein Zelt auf, wasche Wäsche und vertrödele die Zeit bis 16 Uhr, damit ich mich dann anmelden kann. Als ich danach in die Stadt, die noch weiter oben ist, laufe, nieselt es plötzlich. Ich hatte den Himmel schon auf der Fahrt beobachtet und war mir nicht sicher, ob ich es trocken bis nach Domfront schaffen würde. Die Stadt gefällt mir gut, als Krönung steht mitten drin ganz oben eine Kirche in byzantinischem Stil. Als ich wieder den Platz erreiche, kommt mir der Franzose, mit dem ich gestern noch quatschen wollte, entgegen. Wir grinsen uns an. Er geht in die Stadt, ich zum Zelt, relaxe dort auf der Wiese und als die ersten Tropfen fallen - der Himmel hatte sich schon wieder zugezogen -  flitze ich zum WIFI-Haus. Jetzt regnet es richtig. Mein Abendbrot hätte ich mal mitnehmen sollen. Mir knurrt der Magen und dass es aufhören wird, ist nicht absehbar. Irgendwann hört es doch auf. Ich flitze zum Zelt und hole meine Esswaren und verschwinde wieder im Haus. Beim Essen fällt mein Blick auf ein Bügeleisen mit Bügelbrett und einen Wäscheständer. Das ist die Lösung für meine nasse Wäsche, die bestimmt nicht draußen bis morgens trocken werden wird. Also flitze ich wieder zum Zeltplatz, hole meine Fahrradhosen und das Fahrradshirt und meine Nachthosen - BH, Slip und Socken hänge ich ins Zelt. Die Fahrradsachen kommen auf den Ständer und meine Schlafanzughose, die aus Baumwolle ist, wird trocken gebügelt.

 

Donnerstag, 28.07.16

Meine Fahrradsachen sind trocken, meine Unterwäsche nicht. Also wird alles, während ich packe, nochmal draußen auf die Leine gehängt. Das Außenzelt ist nass, das Innenzelt zum Glück nicht. Das wird in eine Extraplastiktüte gepackt, damit es auch trocken bleibt. Kurz bevor ich ablege, kriecht auch mein Franzose aus seinem Zelt - seine Sachen sind bestimmt nicht trocken :)  Wir quasseln nochmal und stellen fest, dass er auf demselben Platz wie ich die nächsten Nacht verbringen will. See you later! Und dann schwinge ich mich auf's Rad. es ist 10.05 Uhr. Da mein Kartenmaterial erst einige Kilometer weiter gültig ist, fahre ich dorthin, wo ich gestern Wegweiser in Richtung Mont St. Michel gesehen habe. Irgendwann verlieren sich die. Ich fahre also ein Stück zurück, komme an einen Punkt, wo es eindeutiog ist, drehe wieder, fahre dann weiter und lande prompt wieder in Domfront. Inzwischen ist es 10.50 Uhr. Ich bin quasi schon über 10 km gefahren und nicht von der Stelle gekommen. Ich gebe es auf, den Veloweg zu finden und fahre Straße - hoch und runter immer wieder. Da , plötzlich ein Hinweis nach rechts auf einen Ort, der auf meiner Karte verzeichnet ist. Ich biege ab und bin tatsächlich nach 2,5 km auf dem Radweg Nr. 40 in Richtung Mont St. Michel. Juchhu! Der Weg ist einigermaßen eben und führt die ganze Zeit unter einer Art Allee entlang. Es ist kühl und verhangen und ich bin froh, wenn ich mal unter den Bäumen wieder hervortauche. Mein Knie muckert, ich werfe eine zweite Ibuprofen ein und schaffe es, um 14 Uhr auf dem Campingplatz in St-Hilaire-du-Harcouet zu sein. In Ruhe baue ich mein Zelt auf - ich bin die erste in der Velo-Ecke- gehe duschen und Haare waschen und dann in die Stadt. Der Ort ist an sich nicht besonders schön, aber die Schaufenster sind häufig sehr schön mit allem, was mit Fahrrad zu tun hat, dekoriert, da die Tour de France vor kurzem hier entlang führte. Im Ort treffe ich auch meinen Franzosen wieder. Er hat sich entschieden, heute noch ein Stück anzuhängen. Schade! Ich hatte an ein eventuelles Gläschen Wein zusammen an diesem Abend gedacht. Nun gut, hat nicht sollen sein. Abends genieße ich, dass gleich bei meinem Zelt ein Häuschen ist für einen abendlichen Aufenthalt im Trockenen. Hier sitze ich warm und trocken und genieße unbegrenzte Internetzeit. Eine trockene Pause nutze ich, um ins Zelt zu wechseln.

 

Freitag, 29.07.16

Ich werde fünf nach sieben wach - der Himmel ist verhangen. Ich schmeiße alles in den Rucksack, klemme mir Schlafsack, Isomatte und Sack unter den Arm und schleppe erstmal alles ins Haus. Dann hänge ich das Innenzelt aus, nehme dieses, den Groundsheet und alles was sonst noch lose und packe das auch ins Haus. Nun wird das Außenzelt trocken gewischt - es ist nur ein Drittel von Tropfen besetzt, da der Rest im Schutze eines Baumes stand - und setze es so um, dass es nun komplett unter dem Baum steht. Da kann nun der Wind sein Übriges tun und ich inzwischen das Chaos im Rucksack beseitigen. Um 8 Uhr sitze ich beim Frühstück, um Viertel vor neun ist auch das Zelt verpackt und 10 nach 9 verlasse ich den Campingplatz. Ich komme gut voran - Ziel ist der Campingplatz in Courtils. Dort komme ich halbzwölf an und will einchecken. Eine sehr unfreundliche Dame will von mir fast 23 Euro haben, als ich frierend und nass dort ankomme… Nee, bin ich Krösus? Was tun? Weiterfahren nach Beauvoir? Da wird es ähnlich teuer sein. Also kehre ich um und fahre nach Pontabault zurück – ca. 7 km. Dort kostet mich die Nacht nur 7 Euro und von da kann ich auch heute noch zum Le Mont St-Michel. Ich habe zwar schon 42 km intus, aber mein Knie sagt mir, dass ich das schaffen könnte. Sind jeweils nochmal 20 km und dazwischen auch große Pause und kein Gepäck. Und wirklich - die ca 20 km Hinfahrt bewältige ich gut trotz scharfem Gegenwind. Aber es ist trocken und nicht wie heute Vormittag nass. Vorher aber, als ich gerade mein Zelt aufgebaut habe und Richtung Rezeption gucke, denke ich, ich sehe nicht richtig. Mein Franzose ist gerade angekommen. Er fand seinen letzten Campingplatz in Duce mistig und hat sich jetzt einen anderen gesucht. Freudig begrüßen wir uns. Auch er will heute dahin, wohin ich gleich aufbrechen werde. Am Ziel angekommen, bin ich stolz auf mich. Hätte mir vor 10 Jahren , als ich schon mal hier war, jemand gesagt, dass ich eines Tages mit dem Fahrrad hierher aufbrechen würde, hätte ich demjenigen einen Vogel gezeigt. Ich kette mein Fahrrad in der Nähe des Gezeitenkraftwerkes an und laufe den ganzen Weg zu Fuß, obwohl kostenlos Busse verkehren. Die Abtei ganz oben lasse ich weg - da habe ich damals eine Führung mitgemacht - aber sonst schlendere ich lange durch die ganzen Gassen des Monts und gehe auch mal runter ans Meer. Für den Rückweg zum Fahrrad nehme ich den Bus und radele dann ganz entspannt zum Campingplatz zurück, um gleich nochmal zu Fuß aufzubrechen, um den Ort und auch so zu erkunden, wo ich morgen weiterfahren muss. Im Ort kaufe ich mir meine ersten Macarons - da bin ich nun schon zwei Wochen in Frankreich und habe es noch nicht geschafft, welche zu essen. Und wer sitzt da bei einem Bierchen im Außenbereich eines Restaurants? Der Franzose. Ich mache ihm spaßhaft deutlich, dass Bier und Radfahren nicht zusammenpassen, aber er ist da anderer Meinung und deutet mir an auch eines zu trinken. Ich grinse und schüttele den Kopf. Später als ich mein Tagebuch schreibe, kommt er vorbei. Ich sage ihm, was ich mache , da fragt er doch tatsächlich, ob ich das für ihn tun würde. Ich grinse und meine nur : "It's in german!" Er macht eine Geste in der Art - vielleicht trotzdem und geht erstmal essen.

 

Samstag, 30.07.16
Abgesehen davon, dass meine Nachbarn erst nach 11 Uhr kamen und dann fürchterlich die Autotüren knallten, war die Nacht ruhig.
Das Zelt ist auch trocken, ich habe mir ein luftiges Plätzchen unter Bäumen ausgesucht gehabt. Um halbacht krieche ich aus meinem Schlafsack und siehe da, kurz nach mir kommt auch mein Franzose, der sonst immer bis neun gepennt hat, aus seinem Zelt gekrochen. Wir haben erstmal heute die gleiche Richtung - er will zum Paragleiten, ich möchte nach Granville eventuell. Er legt 5 Minuten vor mir ab. Nachdem ich gestartet bin, habe ich ihn nach 2 km eingeholt und überholt. Nochmal ein kurzes Hallo, dann bin ich weg. Und habe wahrscheinlich zwischendurch wieder einen Wegweiser übersehen. Irgendwie wurstele ich mich bis Avranche durch, dorthin gibt es einen lausigen Anstieg - noch dazu durch ein recht dunkles Waldstück. Das erste Mal nehme ich meine Beleuchtung und die Warnweste in Betrieb, damit ich, die ich mich schiebender Weise den Berg hoch bewege, nicht über den Haufen gefahren werde. In Avranche wird fix die Kathedrale fotografiert, die Sonnenbrille verloren und wiedergefunden und dann geht es eine andere Straße wieder genauso steil herab. Als ich den Bahnhof passiere, halte ich mal kurz um zu schauen, ob ich nicht mit dem Zug zum nächsten Ziel fahren kann. Es fährt nichts, also muss ich mich selbst bemühen. Da es ständig bergauf bergab geht und ein kräftiges Lüftchen mir entgegen weht, nehme ich mir vor, wenigstens bis Julloville zu kommen. Aber wenigstens werde ich mit fantastischen Aussichten über die Bucht belohnt. Ich kann zur Bretagne rüber gucken. In Julleville angekommen spiele ich mit dem Gedanken, doch noch Granville anzusteuern. Ein offener Supermarkt direkt an der Straße lädt mich ein, Proviant für eine Pause zu besorgen. Auf der Suche nach einem schönen Plätzchen lande ich doch tatsächlich auf der Strandpromenade. Schnell ist eine leere Bank gefunden und dann wird Siesta gemacht mit Blick auf das Meer und die Insel Chausey - die einzige französische Kanalinsel - und (schau mal an) Granville. Das ist aber zu schaffen! Nach einer langen Pause steuere ich Granville an und suche den mir bekannten Campingplatz. Ich lande in Donville dabei und siehe an - es ist der gesuchte! Stimmt ja, der war ja damals gar nicht in Granville. Ich checke ein und suche ein ebenes Emplacement. Das einzige, das meinen Anforderungen entspricht, ist das, auf dem ich damals auch mit Reinhard 2012 gestanden habe. Es ist das erste Mal seit seinem Tod, das ich einen Campingplatz angesteuert habe, wo wir gemeinsam waren - und dann auch noch dasselbe Emplacement. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Reinhard ist mir nah und doch nicht da. Nach dem Zeltaufbau fahre ich nach Granville hinein. Obwohl ich schon mehrmals hier war, entdecke ich wieder Neues. Dann geht es zurück nach Donville Abendbrot essen und dann zum Strand, der direkt hinterm Campingplatz liegt. Ewig laufe ich mit den Füßen im Wasser am Strand entlang, genieße das Meer, die Luft, die Ruhe. Auf dem Platz zieht heute spät Ruhe ein. Es ist Samstag und Anreisetag in Frankreich. Als ich halbzwölf nochmal das Zelt verlasse, muss ich in eines meiner Apfelmusspäckchen gelatscht sein. Dadurch ist überallhin Apfelmus gespritzt, so dass ich die nächsten 10 Minuten mit Saubermachen beim Schein der Taschenlampe beschäftigt bin.

Sonntag, 31.07.16
Früh um 7 Uhr werde ich wach von Gepolter aus dem Nachbarwohnwagen. Danach fängt ein kleines Kind aus einem holländischen Zelt an ewig zu jammern. Ich packe, habe mich gestern schon entschieden, meine Reise fortzusetzen. Aber ich habe für in 10 Tagen nochmal das Emplacement reserviert - ich werde von Granville aus nach Paris mit dem Zug fahren.
Kurz vor 10 lege ich ab. Es ist dasselbe wie gestern. Hoch und runter und dazu ein kräftiger Wind von Nordwest. Wohlgemerkt, ich bin an der Westküste der Normandie in Richtung Norden unterwegs. Hier gibt es so gut wie keine Fahrradwege und auf der Küstenroute sind jede Menge Autos unterwegs. Ein Glück, dass ich durch Düsseldorffahrten sowas gewohnt bin. Allerdings fällt mir immer wieder auf, dass die Franzosen tatsächlich den Sicherheitsabstand einhalten. Wenn einen wirklich mal jemand ganz dicht überholt, hat derjenige garantiert ein deutsches oder holländisches Kennzeichen. In Agon-Coutainville mache ich Rast. Ich werfe kurz einen Blick auf den Brocante - zu Deutsch Trödelmarkt - hole mir einen Döner frites und setze mich wieder auf eine Bank an der Strandpromenade. Heute ist richtig schönes Wetter, da ist es ein richtiger Genuss, bei strahlendem Sonnenschein Siesta zu machen und auf's Meer zu gucken. Diesmal ist es die Inseln Jersey - eine der englischen Kanalinseln - , die mitten im Meer schwimmt. So regeneriert stemme ich mich nach mehr als einer halben Stunde weiter gegen den Wind und erreiche Gouville-sur-Mer. Ich finde auch schnell einen Campingplatz, doch da müsste ich 20 Euro lohnen. Es gibt keinen Einzelpersonentarif. Es ist ein Vier-Sterne-Platz. Nun gut, ich habe noch ein wenig Kraft, versuche ich es eben im 2 km entfernten Anneville-sur-Meer. Da ich momentan nicht auf der normalen Strecke bin, sondern mich auf einer kleinen Straße entlang der Dünen bewege, fahre ich diese weiter in der Hoffnung, wieder auf die normale Straße zu kommen. Und was ist da 300 Meter weiter? Ein Camping municipal für 11 Euro. Da checke ich natürlich ein und muss beim Zeltaufbau das erste Mal gegen den Wind ankämpfen. Ich hoffe nur, ich habe das Zelt fest genug verankert.
Danach fahre ich in den Ort, der zwar lieblich aber gottverlassen ist, und von da aus zurück zum Platz. Leider hat der Platz nur Steckdosen am Emplacement selbst, für die man einen Adapter benötigt. Da ich den gleichen Fall schon gestern hatte und mein Netbook mal wieder geladen werden muss, beschließe ich, mich in eine der Waschkabinen zu verbarrikadieren, denn da sind richtige Steckdosen, in die ich mein Netbook einstöpseln kann. Da die Kabine auch sonst sehr sauber ist und eine Ablage hat, bleibe ich darin und schreibe Tagebuch offline. Das kann ich später ja dann auf die Homepage kopieren.  
Ab 19 Uhr mache ich einen langen Strandpaziergang, zurück geht es den Weg durch die Dünen. Halbneun bin ich schließlich wieder am Zelt, schnappe mir mein Abendbrot und gehe wieder auf die Dünen direkt beim Campingplatz. Dort habe ich vorhin zwei Bänke entdeckt,  und beide sind unbesetzt. Super. Dort lasse ich mir mein Abendbrot beim Scheine der untergehenden Sonne schmecken.

 

Montag, 01.08.16

Es war gestern ziemlich schnell Ruhe auf dem Platz - nämlich schon vor 23 Uhr. Und heute Morgen um halb acht, als ich munter werde, ist auch noch Ruhe. Herrlich! Durch's Zeltfenster scheint die Sonne. Wenn ich hier nicht mitten in der Pampas wäre, würde ich noch eine Nacht bleiben. So raffe ich mich auf und packe. Währenddessen ziehen dicke schwarze Wolken auf. Als ich gerade fertig mit dem Packen und dem Frühstück bin, bekomme ich sogar von Nachbars eine Tasse Kaffee angeboten. Das ist zwar ganz lieb, aber ich bin schon fast im Sattel. Heute fährt es sich gut. Es weht kaum Wind. Und ich habe mich für die richtige Straße entschieden. Es geht über viele kleine Ortschaften schöne flache Strecken. Ich hole einen Traktor ein und folge ihm für 3 km im Windschatten. In Lessay drehe ich zwar eine Ehrenrunde, bis ich den Radweg gefunden habe, aber dann bin ich endlich wieder auf einer mit Bäumen bestandenen Radtrasse, die bis Portbail führt. Dort entscheide ich mich instinktiv auch für die richtige Straße und lande auch bald in Barneville-Carteret. In Barneville komme ich an einem Campingplatz vorbei und checke den Preis - 12 Euro. Ich fahre weiter nach Carteret zum Campingplatz - weit über 20 Euro. Gut, dann fahre ich halt weiter nach Baubigny. Leider finde ich die Straße dorthin nicht und lande zweimal oben auf dem Cap - und das mit vollem Gepäcke und fast 60 km intus. Entnervt geht es zurück nach Barneville - die ersten Tropfen fallen. Ich checke ein, fange an aufzubauen, um dann nochmal das Zelt umzusetzen auf meinem Emplacement, weil an der anfänglichen Stelle Ameisen waren. Als ich fertig bin, hat es sich eingenieselt. Ich verschließe das Zelt, ziehe meine Regenjacke an und über den Helm den Schutz  und schwirre mit Rad ab nach Carteret. Ich besuche eine Patisserie und nehme mir ein schokoladiges Teilchen und fahre zum Strand. Das Fahrrad wir angeschlossen und ab geht's nach oben zum Cap - diesmal per pedes. Oben ist ein Bruchstück eines Hauses. In einer wettergeschützten Fensternische setze ich mich hin mit Blick zum Meer und esse meinen Kuchen. Erinnerungen werden wach. Mich zieht es hinunter an den Strand, den ich vom letzten Besuch vor vier Jahren anders in Erinnerung habe. Damals war das Wasser weiter weg, aber es war schon im Anmarsch. Diesmal sind die Felsen, zwischen denen wir herumkletterten im Wasser. Ich laufe ein wenig am Strand lang und dann steige ich wieder hoch zum Cap, da ja mein Rad in der Nachbarbucht steht. Es geht nun zurück nach Barneville immer den Wegweisern nach zum Supermarkt. Dort ist es warm und trocken. Ich vertrödele eine Stunde dort - es gibt ja nicht nur Lebensmittel - und dann begebe ich mich zurück zum Platz. Gerade noch rechtzeitig komme ich an, mein Abendbrot verbringe ich unter einem Sonnendach gegen den Nieselregen geschützt am Wifi-point - aber nicht allein, denn ein Ehepaar aus Berlin leistet mir Gesellschaft. Es ist auch mit Rad und Zelt unterwegs.

 

Dienstag, 02.08.16
Die letzte Nacht war stürmisch. Am Anfang hat es noch geregnet, dann fing der Sturm an. Obwohl ich wegen des steinigen Untergrundes die Häringe nicht ganz in den Boden schlagen konnte, stand mein Zelt wie eine Eins.
Heute hänge ich fest. Der Wind fegt immer noch über den Platz und es hat wieder angefangen zu regnen. Das wäre zu anstrengend zum Fahren. Deswegen krieche ich nach dem Toilettenbesuch und einem kurzen Plausch mit dem deutschen Ehepaar von gestern, die heute die Insel Jersey besuchen wollen, wieder in meinen Schlafsack und träume noch 1,5 Stunden vor mich hin. Danach gibt es Frühstück im Zelt unter Beachtung aller Vorsichtsregeln - Verschluss der Milchflasche vor dem Schütteln richtig zudrehen (die Sauerei vom letzten Jahr brauche ich nicht noch einmal) und nicht krümeln wegen Viehzeug. Anschließend geht es duschen. Ich werfe mich in meine Regenkleidung - Jacke und Hose - und ziehe dazu Flipflops an. So ausgestattet begebe ich mich auf den Weg nach Barneville und wieder zurück. Nach einem kurzen Besuch der Sanitäranalagen schlappe ich in die Gegenrichtung nach Cateret. Am Meer pfeift es noch mehr. Lange bleibe ich nicht dort, bevor ich nach dem Genuss eines wirklich leckeren Döners wieder zurück zum Campingplatz flipfloppe. Ein Auto mit einer älteren Dame hält neben mir und fragt mich was, aber ich antworte, dass ich kein Französisch verstehe. Sie fragt nochmal und ich antworte das gleiche. Kaum sehe ich sie von dannen fahren, macht es bei mir klick - sie wollte mich mitnehmen bei diesem scheußlichen Wetter. Manchmal wäre es halt doch gut, wenn man die Landessprache richtig verstehen könnte. Ab halbdrei bin ich im Vielzweckhäuschen, die auch eine kleine Bar beherbergt und wo es wenigstens trocken ist. Eine Familie gesellt sich zu mir, gibt mir einen Kakao aus - auf eigene Kosten trinke ich dazu einen Calvados - spielt Tischfussball und Billard mit den Kindern und quasselt eine Sprache, die mir wie englisch vorkommt und doch irgendwie ein wenig fremd. Holländer können es nicht sein - das steht fest. Ich foppe eines der Kinder, das daraufhin was auf englisch zu seinem Opa sagt, was ich verstehen kann. Ich grinse und sage zu dem Jungen, dass ich englisch verstehe. Opa grinst und der Kleine wird verlegen. Später frage ich den Opa, wo sie herkommen - sie sind aus Wales aus der Nähe von Cardiff. Er freut sich, dass ich Wales kenne. So verbringe ich 3 Stunden zu, dann fahre ich einkaufen in einer scheinbaren Regenpause. Schön nass komme ich wieder und beziehe wieder Domizil im Häuschen, wo ich schon mal ein bisschen Tagebuch schreibe und auch Abendbrot esse. Dazu gibt es heute ein kühles Bier aus einem richtigen Glas. Eine Regenpause nutze ich, um ins Zelt zu kommen. Ich treffe noch das deutsche Ehepaar, das gerade von seinem Inseltrip zurückgekommen ist. Die beiden erzählen mir, dass sie genauso ein Sauwetter hatten und dass bei der Überfahrt ein Großteil der Leute sein Frühstück von sich gegeben hat. Das hatte ich mir heute Morgen auch schon überlegt, als es so stürmisch war.

 

Mittwoch, 03.08.16

Als ich um halb acht aufwache, prasselt der Regen nur so auf' s Zelt.. Und es hört auch ewig nicht auf. Es lässt zwar kurz mal nach, aber dann geht es so weiter. Als ich mich halbzehn entschließe nun zu frühstücken, packe ich nebenbei mal schon alles in meinen Minirucksack, was ich für einen Aufenthalt im Häuschen so brauchen könnte. Tatsächlich lässt der Regen endlich nach und ich flitze zum Häuschen. Das ist noch zu, aber ich kann überdacht frühstücken. Danach gehe ich duschen. Schön sich mit einem nassen Badetuch abzutrocknen, das die ganze Nacht draußen hing. Ich nehme es aber wenigstens mit unter die Dusche, damit es warm ist, wringe es ordentlich aus und trockne mich dann damit ab. Das ist der  Vorteil an einem Mikrofasertuch - das trocknet einen auch, wenn es nass ist. Im Sanitärgebäude verbringe ich dann erstmal einige Zeit, da mein Netbook dort an der Steckdose hängt. Ich bekomme ganz schnell Gesellschaft. Zwei junge Engländer gesellen sich zu mir und sortieren erstmal ihre ganzen pitschnassen Sachen. Die hat der Regen voll erwischt. Nichts ist mehr trocken. Sie befüllen den Trockner, sehen mein Badetuch und bieten mir an, ´dieses und auch mein nasses Shirt mit in den Trockner zu werfen. Super! Während des Trocknens höre ich endlich mal in den „König David“ von Honegger rein - unserem nächsten Chorwerk zusammen mit dem Uniorchester - und quasseln mit den Engländern. Sie sind aus London und auf der Heimreise und eben auch mit Fahrrädern und Zelt unterwegs. Einer guckt auf seinem Smartphone, das auch gerade an der Steckdose hängt, nach dem Wetterbericht. Ab 2 Uhr nachmittags soll es schön werden. So richtig glauben kann ich es nicht, aber es stimmt tatsächlich. Um halbeins hört es komplett auf zu regnen. Ich lerne meine holländischen Nachbarn kennen, sie können auch deutsch. Das ist das erste Mal in diesem Urlaub, dass Holländer deutsch sprechen können.  Ich kann es gar nicht fassen. Ich kehre zu meinem Zelt zurück, wische es ab, damit es schneller trocknen kann und hänge alles, was noch irgendwie klamm ist, auf die Leine. Die beiden jungen Engländer kommen zwischendurch mal vorbei, begutachten mein Zelt. Ich finde es lustig, dass ich ausgerechnet  Leuten aus England ein englisches Zelt empfehle - ich habe übrigens ein Karrymor ultralite. Argwöhnisch schaue ich immer wieder zum Himmel, aber der Wetterbericht stimmt. Irgendwann zeigt sich auch am Horizont blauer Himmel und dann auch die Sonne. Gut, ich kann es wagen - ich fahre einkaufen. Danach mache ich Kaffeetrinken und fahre nochmal  nach Cateret, wo ich die Wanderung vom Montag - nun bei richtig schönem Wetter - noch einmal mache. Unten am Strand klettere ich auf den Steinen herum und sitze eine Weile in der Sonne. Dann laufe ich barfuß den ganzen Weg zurück zu meinem Fahrrad und fahre zurück zum Campingplatz - diesmal eine andere Strecke. Die ist viel schöner als der Weg entlang der Straße. Auf dem Weg nach Cateret habe ich übrigens endlich die Straße gefunden, die ich morgen in Richtung Vauville fahren will. Auf dem Platz genehmige ich mir ein Bierchen an der Bar, danach gibt es Abendbrot.

 

Donnerstag, 04.08.16
Heute Nacht ging wieder ein rasantes Lüftchen. Ein bisschen getröpfelt hat es auch, aber es regnet nicht bei meinem Erwachen. Der Himmel ist aber ein wenig verhangen und so fange ich an zu packen. Nur das Außenzelt bleibt stehen. Nach kurzer Überprüfung der Lage gehe ich schnell duschen und packe nun auch das Zelt weg. Erst danach genehmige ich mir in Ruhe mein Frühstück. endlich kann ich die Rastplatzbank, die sich auf meinem Emplacement befindet benutzen.
Es ist Zeit aufzubrechen und ich habe mir unbewusst die richtige Route ausgesucht. Gleich am Anfang gibt es eine Schiebestrecke, da ich ja auf die Dünen hoch muss. Gerade als ich Haiteville erreiche, fängt es an zu tröpfeln. Rucksack und Lenkertasche werden schnell ihre Überzüge übergestülpt, dann geht es weiter. Und es fängt stärker an zu regnen. Da - ein Wartehäuschen - nichts wie rein und dann prasselt der Regen herunter - aber nur kurz. Ich fahre erstmal in die falsche Richtung, merke es aber nach 1 km und kehre um. Nun geht es von Ort zu Ort, wie ich es mir aufgeschrieben habe und stelle fest, dass die Route die offizielle Küstenroute Coure de la Baye. Ist doch wunderbar - die ist ausgeschildert und ich kann nach den Wegweisern fahren. Es ist wenig Autoverkehr, dafür fahre ich öfters mal Berg- und Talbahn, was ja dem Auf und Ab der Küste zu Schulden zu legen ist. Kurz vor' m Ziel kommt nochmal ein ordentlicher ewig langer Anstieg, aber das habe ich gewusst. Und dann kommt eine ebenso lange Abfahrt. Ich habe ständig die Hände an den Bremsen und die quietschen heute, was das Zeug hält. Hängt wahrscheinlich mit dem Kette- und-Schaltung-ölen heute Morgen zusammen - da ist Öl auf die Räder getropft. Und dann bin ich endlich auf dem Campingplatz in Vauville. Ich bau mein Zelt auf und mache einen Strandspaziergang Richtung Norden und durch das Dorf zurück. Dort besuche ich den Jardin botanique, der viele südliche Pflanzen in freier Natur beherbergt, weil hier ein mediterranes Klima herrscht. Danach schnappe ich mir mein Rad und bewege mich nach Beaumont - wieder ein langer steiler Anstieg, aber ohne Gepäck geht es. Dafür lass ich auf dem Rückweg wieder meine Bremsen quietschen. Fahrrad wird abgestellt und diesmal geht es zu Fuß am Strand entlang im Wasser Richtung Süden. Ich bin ganz allein und führe Selbstgespräche mit Reinhard. Er mochte diesen Strand auch so sehr wie ich. Wir waren hier oft gemeinsam. Zurück geht es durch die Dünen - dort gibt es lange Wanderwege und ein Reservat. Auf dem Campingplatz haben sehr dicht an meinem Zelt zwei sehr junge Frauen ihr Zelt aufgestellt und daraus tönt laut Musik. Das muss ich nicht haben, ich ziehe um und dann setze ich mich hinter der Hecke auf die Steine am Strand. Es ist jetzt 22 Uhr und ich nehme in der zunehmenden Nacht mit Blick auf's Meer mein Abendbrot ein.

 

Freitag, 05.07.16
Die Nacht war laut - aber nicht von den Menschen sondern durch das Meer. Dadurch dass Flut war, das Meer gleich hinter der Hecke ist und der obere Teil des Strandes große Steine sind, die vom Meer immer wieder polternd hin und her bewegt werden, waren die Stunden, bis das Meer sich wieder in den Sandbereich zurückgezogen hatte, eben etwas geräuschvoller.
Als ich aufwache, gehe ich nach einem kurzen Blick zum Himmel schnell duschen, was auf diesem Platz zeitig angebracht ist, da es nur drei Duschen gibt, und packe schnell zusammen. Frühstück - und um 10 Uhr geht es ab nach Beaumont - diesmal mit Gepäck. Es wird eine elende Schnauferei da hoch, aber die Strecke, die ich dann fahre, ist relativ einfach. Auch wenn ich mich in Beaumont erstmal verfahre, bin ich schnell wieder auf der Spur. Ein Route-barree-Schild wird ignoriert - als Radfahrer sollte man ja durchkommen. Einen unfreiwilligen Anstieg zwischendurch hätte ich mir sparen können, wenn ich zwischendurch mal rechtzeitig auf meine Karte geguckt hätte. Plötzlich bin ich in Greville wieder auf dem Weg nach Beaumont, aber ich will nach Troulaville, das hinter Cherbourg liegt. Doch ich finde den Weg wieder und schließlich bin ich auf der Fahrradautobahn am Meer entlang. In Cherbourg muss ich wieder ein Hinweisschild übersehen haben, denn plötzlich lande ich an einer Route nationale, auf der ich ja mit dem Fahrrad nichts zu suchen habe. Ich suche mir einen Weg und weiß nur, dass ich irgendwie das Meer wiederfinden muss. Dass ich relativ nah an meinem Fahrradweg dran war, merke ich später, als ich nochmal von Troulaville nach Cherbourg fahre zwecks Stadt- und Hafenbesichtigung. Auf dieser Tour klärt sich auch für mich, wie ich morgen wieder auf die offizielle Fahrradroute gen Süden komme. Ich habe nämlich ein Schild gesehen, dass zum Mont St. Michel weist. Abendbrot gibt es heute wieder am Strand - diesmal in einer Düne - schön windgeschützt.

 

Samstag, 06.08.16
Gestern Abend habe ich kaum zu meinem Zelt gefunden, da es so stockduster auf dem Campingplatz war. Und nass vom Tau war's auch, weil das Gras nicht gemäht war, so dass ich im Zelt erstmal die Füße abtrocknen musste. Heute Morgen ist natürlich immer noch alles feucht vom Tau. Ich packe im Zelt alles zusammen und stelle alles, was fertig ist auf den Kiesweg. Hier muss eh niemand vorbei. Als ich meine Wasserflasche fülle, schaut mich aus einem Zelt hinter der Hecke jemand aus einem beigen Zelt an. Ich gucke zurück, grüße, gucke nochmal, und dann gibt es ein großes Hallo, als auch noch eine weitere Person sich bemerkbar macht. Es ist das deutsche Ehepaar Vom Campingplatz in Carteret. Das Zelt hatte ich gestern registriert, nicht aber Farbe und Marke realisiert. Sonst hätte ich es eher bemerkt. Das Paar hat natürlich mein Zelt sofort erkannt. Sie haben von Carteret aus die Route über St-Saveur-le-Vicomte - meinem heutigen Ziel - nach Troulaville genommen. Sie warnen mich schon mal vor, dass die Strecke zum großen Teil sehr anstrengend ist, weil es lange Anstiege gibt, wo sie auch ihre Räder schieben mussten. Und sie sollen Recht behalten. Nach einer Ehrenrunde zwischen Tourlaville und Cherbourg bin ich endlich auf dem Velo verte, der teilweise schlecht ausgeschildert ist. Ich bin da vom Velo Loire etwas verwöhnt. Wie gesagt, die ersten 17 km ziehen sich und ich schiebe mehr als dass ich radle. Ich habe heute auch das Gefühl, dass ich überhaupt keine Kraft habe, es ist sehr warm und wenn ich mal radle, will es so gar nicht rollen. Irgendwann überwinde ich den toten Punkt – nämlich als es immer öfter bergab geht. Dann komme ich plötzlich an eine Stelle, wo die von mir gewünschte Richtung nicht mehr ausgeschildert ist. Mir reicht es. Kurzer Blick auf die Karte und die nächsten 7 km geht es auf der normalen Straße weiter bis Bricquebec. Hier ist Flohmarkt, dort gibt es bestimmt irgendwas Leckeres zu essen. Ich wollte sowieso Pause machen. Und da ist auch das Gewünschte – eine Bratwurst vom Grill. Die sind hier in Frankreich wirklich superlecker. Ich suche mir ein schattiges Plätzchen und futtere meine Wurst, während mein Rücken trocknen kann. Das Thermometer zeigt übrigens 32 Grad an - im Schatten. Dann gucke ich auf den Stadtplan, ob ich irgendwie wieder auf meinen Velo verte komme. Der muss hier irgendwo langführen. Schließlich komme ich an einen Weg, der es sein könnte. Er ist allerdings mit einem Fußwandererschild versehen und ich schließe nur an dem zusätzlich angebrachten Schild, das besagt, dass es ein Europaprojekt ist, dass es der Velo Verte sein könnte. Und tatsächlich - nach einigen Kilometern endlich der langersehnte Hinweis. Nach einigen weiteren Kilometern komme ich in St-Saveur-le-Vicomte an. Mein Zelt baue ich neben dem einer Familie aus Cornwall auf - Smalltalk eingeschlossen - und dann wird erstmal geduscht und alles gewaschen. Am Super-U bin vorhin vorbeigekommen - dort laufe ich jetzt hin. Unterwegs will ich fotografieren - aha, der Akku leuchtet rot. Also zurück zum Platz …und Steckdose suchen …und entspannen …und Kartenstudium …und eine Runde um den Platz drehen …und mit zwei französischen Älteren Radwanderinnen Erfahrungen austauschen. Nach zwei Stunden packe ich den Akku wieder in die Kamera und laufe zur Burgruine hoch, die frei zugänglich ist und an deren Fuß unmittelbar der Campingplatz liegt. Der Platz hat auch ein Aufenthalthäuschen, wo man gesittet seine Mahlzeiten zu sich nehmen und ich mein Tagebuch schreiben kann. WIFI ist nicht, also wird offline geschrieben. Später, als es schon dunkel ist und ich in mein Zelt kriechen will, wundere ich mich, dass da plötzlich so viele stehen, bis ich merke, dass ich in der falschen Reihe bin. In der richtigen steht weiterhin nur das Zelt der englischen Familie neben mir. Ich mache mich so weit nachtfertig und es mir wie immer mit Wein und Netbook gemütlich, da höre ich komische Geräusche. Mein Nachbar wird doch nicht etwa schnarchen? Nach einer Weile gehe ich lauschen, aber ich kann es nicht genau identifizieren. Könnte auch ein entferntes Feuerwerk sein. Ich kann nun mal keine Geräusche lokalisieren. Vorsichtshalber ziehe ich mit meinem Zelt einige Meter fort. Ist ja mal was Anderes, sein Zelt im Dunkeln umzusetzen.

 

Sonntag, 07.08.16
Ich wache Viertel nach sieben auf, döse noch ein bisschen und raffe mich dann auf zu packen. Das soll sich als richtig erweisen. Noch scheint die Sonne, aber es sieht stark nach Regen aus. Als ich gerade Das Zelt einpacke, kommen einzelne dünne Spritzer. Schnell wird das Fahrrad bepackt, der Rucksack geschultert und danach in Ruhe im Häuschen das Frühstück eingenommen. Der Rucksack bekommt seinen Regenschutz über und Viertel vor zehn lege ich ab. Schnell bin ich wieder auf dem Velo verte und tatsächlich begleitet mich Nieselregen die ganze Zeit - abgesehen von kurzen Pausen. Es fährt sich bescheiden -  nicht wegen des Niesels sondern wegen des Wegbelags, der mich immer ein wenig bremst. Dazu geht es fast unmerklich nach oben. Das schlaucht. Heute komme ich an den Rand der Erschöpfung, aber der nächste in Frage kommende Campingplatz ist in Coutance. Ich habe eine eiserne Reserve Traubenzucker bei mir, die heute dran glauben muss. Glücklicherweise sind die letzten 6 km normale Straße. Endlich läuft es wieder. Nach 4,5 Stunden komme ich völlig k.o. an, aber nach dem Zeltaufbau - natürlich auch im Nieselregen - fühle ich mich noch stark genug für eine Stadtbesichtigung. Das Doofe ist, dass die Stadt oben auf dem Berg liegt, aber ohne Gepäck geht es.  Coutance scheint nur aus Kathedrale und Kirchen zu bestehen. Die gucke ich mir alle brav an - zwischendurch falle ich in einer Patisserie ein. Ich falle fast um vor Hunger. Und vor allem muss ich mich mal auf was Anderes als einen Sattel setzen. Bald tut der Kuchen seine Wirkung und ich stoße sogar noch auf einen frei zugänglichen Garten. Der ist ganz vom Thema Tour de France beherrscht - aber wirklich schön. Und es scheint sogar ab und zu die Sonne. Wieder auf den Platz zurückgekehrt, betreibe ich erstmal Kartenstudium. Ich glaube jetzt zu wissen, wie morgen meine Route ist. Dann schreibe ich Tagebuch im Multizweckraum, esse nebenbei Abendbrot und spiele anschließend ein bisschen. Als ich gegen 11 Uhr in mein Zelt zurückkehren will, irre ich mich erstmal im Plateau und wundere mich, dass mein Zelt nicht da ist. Außerdem ist hier unten ziemlicher Krach. Einige Männer reden sehr laut. Glücklicherweise geht das nur noch einige Minuten, nachdem ich endlich in meinem Zelt bin.

 

Montag, 08.08.16
Ja isses denn die Möglichkeit! Ein komplett trockenes Zelt - außen und innen. Die Nacht war relativ mild, ich habe mich nur mit dem Schlafsack bedeckt und nicht wie sonst in ihm geschlafen. Die Sonne scheint auch - noch - zwischen den Bäumen scheint wieder Wasser von oben heranzuziehen. Ergo gehe ich schnell duschen und packe dann meinen Kram. Kurz nach 10 lege ich ab. Heute wird es nur eine kurze Etappe so wie morgen auch. Nach den letzten beiden Tagen tut das ganz gut. Ziel ist Hauteville-sur-Mer. In Coutance finde ich zwar nicht den Radweg, aber so wie ich fahre, ist auch gut. Zwei bis drei Kilometer vor Mont-Martin-sur-Mer fängt dann auch die Fahrradautobahn neben der D20 an und natürlich auch Nieselregen - aber nur ganz kurz. Kurz nach 12 Uhr  bin ich am Ziel und das Wetter zeigt sich wieder von der sonnigen Seite. Wenn es so bleibt, wird es ein richtig schöner Tag am Meer. Ich höre es auf dem Platz hinter der Düne rauschen. Nach dem Zeltaufbau fahre ich ein wenig durch die Gegend, auch nochmal nach Mont Martin zum Einkaufen. Es ist inzwischen nach 4 Uhr und ich wappne mich zum Strandspaziergang. Als ich auf die Strandpromenade komme, ist das Meer weit weg. Viele Menschen machen einen Spaziergang hinaus in' s Watt bzw. buddeln draußen im Watt. Ich tu es ihnen gleich. Ich laufe dem Wasser hinterher und das Wasser reißt immer mehr von mir aus. schließlich bin ich bis draußen an den Reusen. Ein Traktor mit Fischern überholt mich. Sie gehen dort ihrer Arbeit nach. Ich beobachte sie dabei. Ist wirklich interessant, das mal live zu erleben. Eine Reuse nehmen sie später komplett mit - da sind wahrscheinlich Muscheln drin. Ansonsten landen zwei größere Fische und eine Scholle, die sich in die Reuse verirrt hatten,  in einem Kasten. Bis zur Strandpromenade zurück durchs Watt dauert es 40 Minuten. Hinter mir laufen ein deutscher Pappi und  drei Kinder. Pappi muss Sohnemann erklären, dass die Fischer nur ihrer Arbeit nachgehen, nachdem Sohnemann vorher gesagt hat, dass man doch keine Fische töten darf. Ich grinse in mich hinein. Zu meiner Beruhigung lese ich später, dass um 18.25 Uhr an diesem Tag volle Ebbe war. Ich setze mich am Strand auf ein paar Steine und schaue dem Strandtreiben zu. Danach bummele ich nochmal durch den Ort und nochmal eine Stunde die Strandpromenade hin und zurück. Es war wirklich ein sehr erholsamer Tag mit viel Zeit zum Müßiggang. Leider ist es am Zelt ziemlich laut. Die Campingkinder düsen ständig mit ihren Fahrrädern vorbei bzw. spielen in der Nähe Fußball und schreien herum. Vor allem pissen sie ständig auf das Emplacement, was mir ursprünglich zugewiesen worden war, aber mir zu sandig war. Lärm dringt auch vor allem ab 22 Uhr von einer Feier herüber. Nach 23 Uhr frage ich mal vorsichtig an, wie lange die Feier gehen soll, denn es ist wirklich sehr laut. Dazu hat sich in unmittelbarer Nähe meines Zeltes ein Pärchen die freie Fläche dazu auserkoren, die Nacht durchzuplaudern. Sie sind sich gar nicht bewusst, dass man sie im Zelt hört. Sie sind einsichtig und verschwinden. Gegen Mitternacht schlafe ich endlich ein, um nach etwas mehr als einer Stunde durch lautes Reden im Nachbarzelt aus dem Schlaf gerissen zu werden. Ich mache mich bemerkbar. Den ganzen Tag hatte ich keinen einzigen Erwachsenen gesehen und jetzt lallt mich ein Mann meines Alters verständnislos an. Ich krabbele wieder in meinen Schlafsack und höre mir mindestens eine Viertelstunde noch sein Gequatsche an.

 

Dienstag, 09.08.16
Der Rest der Nacht verlief doch noch ruhig. Ich werde gegen acht munter und die Sonne scheint voll auf mein Zelt. Duschen, packen, in Ruhe frühstücken. Während ich mich anschließend eincreme, kriecht der quasselnde Mann von heute Nacht aus dem Zelt, kommt direkt zu mir, entschuldigt sich mit Worten und reicht mir als Geste der Versöhnung die Hand. Ich kann ihm zwar nur mein Handgelenk reichen, da ich mich gerade gesalbt habe, , aber ich sage, dass alles okay ist. Dann breche ich auf in Richtung Granville. ich möchte auf keinen Fall die Strecke von der Hinfahrt nehmen. Da war ein Teilstück der Straße plötzlich für Fußgänger und Radfahrer verboten und auf der Umleitung lief kläffend so ein  Köter hinter mir her, bis ich zu ihm "ici" rief. Ich fahre durch viele kleine Dörfer, die teils auf meiner Karte aufgeführt sind und teils nicht. Aber da ich immer das Meer im Auge behalte bei meinem Zickzack komme ich tatsächlich nach einer sehr schönen Fahrt wohlbehalten und ungestresst kurz nach zwölf in Donville auf meinem Campingplatz und dem reservierten Emplacement an. Ich baue auf und richte mich ein in aller Gemütlichkeit und weiß noch nicht, ob ich nun ein oder zwei Nächte bleiben werde. Das hängt davon ab, für wann ich ein Zugticket bekomme. Deswegen fahre ich gleich nach Granville rein, futtere aber erstmal - wie ich mir schon vor 10 Tagen vorgenommen hatte - Chi-chi, in Deutschland eher unter Curros bekannt, und begebe mich zum Bahnhof. Am Automat, dessen Bedienung mir inzwischen vertraut ist, buche ich für 34 Euro ein Ticket nach Paris für Donnerstag. Der Zug wird ca. 15 Uhr in Montparnasse eintreffen. Dann habe ich fast drei Stunden Zeit von Montparnasse nach Nord zu kommen, wo 18 Uhr mein Thalys nach Düsseldorf fahren wird. Mensch ist das super. Das heißt, ich habe heute den ganzen Nachmittag und morgen den ganzen Tag am Meer. Ich radle zurück zum Campingplatz und gebe Bescheid, dass ich zwei Nächte bleiben werde. Nach einer Pause düse ich wieder los, diesmal zu Leclerc. Das wird eine etwas längere Fahrt dorthin und den von mir heißgeliebten Wurstsalat haben die hier nicht. Aber ich bekomme andere leckere Sachen und Minispanngurte, mit denen ich meine Billig-Lenkertasche sichern kann, die auseinander zu fallen droht. Nun schon zum dritten Mal am heutigen Tag erklimme ich Donville. Granville und Donville gehen zwar quasi ineinander über, aber vom Campingplatz Donville muss man immer erstmal hoch ins Zentrum von Donville, um dann sich nach unten ins Zentrum von Granville zu bewegen, von wo aus alle weiteren Ziele wieder nach oben führen. Auf dem Platz suche ich den Mehrzweckraum auf, wo man lesen und fernsehen kann. Bei der Übertragung von den Olympischen Spielen schreibe ich Tagebuch, weil ich hier mein Netbook gleichzeitig laden kann. Abendbrot gibt es am Zelt, es folgt nochmal eine längere Wanderung auf's Aussichtsplateau und dann bin ich vom Wind so durchgefroren, dass ich mich echt auf meinen Schlafsack freu. Mittwoch, 10.08.16
Halbacht erwache ich, habe keine Lust aufzustehen und lese noch ein wenig in der Broschüre über Granville. Ausgiebiges Duschen, Frühstück - ist schon seltsam, wenn man gewollt nicht mehr weiter muss. Um zehn Uhr breche ich schließlich zu Fuß nach Granville auf. Ganze 30 Minuten laufe ich nicht gerade schnell dorthin. Ich will das Aquarium besuchen, was natürlich mal wieder ganz oben auf einem Berg ist. Aber es lohnt sich - vor allem von der Muschelabteilung bin ich begeistert. Es steht aber auch geschrieben, dass das heute gar nicht mehr möglich wäre, die ganzen Exponate aus Muscheln zu bauen, da das Artenschutzgesetz einen Riegel vorgeschoben hat vor dem Sammeln etlicher Muschelarten. Wo ich nun mal hier oben auf dem Roc bin, wandere ich dort nochmal herum und anschließend runter in den Hafen, wo ich einen ausgiebigen Hafenrundgang mache. Anschließend geht es durch die engen Gassen Granvilles und über den Küstenwanderweg zurück nach Donville. Eigentlich wollte ich ja versuchen, am Strand um den Felsen herum zu kommen, aber es ist erst seit einer Stunde Ebbe und es ist noch nicht möglich. Also muss ich wieder nach oben, 160 Stufen hoch und komme doch tatsächlich im Garten von Dior heraus. Von da ist es nicht mehr weit bis runter zum Campingplatz. Ich komme auf dem restlichen Weg an einer Stelle vorbei, wo Tandemsprünge angeboten werden. Reizen würde es mich ja - Kostenpunkt 60 Euro das billigste Angebot - aber ich habe kein Budget mehr. Später beobachte ich noch die Rettungsversuche, einen gekenterten Segelkatamaran wieder in Fahrt zu bringen. Kurze Zeit segelt er auch selbständig, dann kippt er wieder um. Die See ist auch nicht gerade ruhig. Ich laufe zu meinem Zelt, hole das Fahrrad - ein bisschen Rad fahren muss ja auch sein. Ich will erkunden, ob ich mir gestern einmal Bergfahrt mit Gepäck hätte ersparen können. Hinterm Campingplatz gibt es nämlich eine kleine Straße und die führt tatsächlich schön eben bis Breville um Donville-City herum. Nun ja, hinterher ist man immer klüger. Von Breville aus muss ich dann aber auf dem Rückweg nach Granville doch nochmal den Berg hoch. Ich fahre zu Leclerc - da hatte ich gestern so leckeren Thunfischsalat bekommen. Mein Abendbrot nehme ich später von ganz besonderer Position aus ein. Auf halber Höhe vom Berg sind Picknickbänke mit Blick auf's Meer. Ich bin ganz allein, esse mein letztes Abendmahl in der Normandie und schaue der untergehenden Sonne zu und freue mich auf Wein und Macarons und kuscheligen Schlafsack und auf eine Isomatte, die hoffentlich keine Luft lässt. Heute Morgen war davon weniger drin, als ich in Erinnerung hatte. 

 

Donnerstag, 11.08.16
Eine Reise geht zu Ende. ich bin schon seit 7 wach, da so ein blödes Taubenvieh über mir im Baum die ganze Zeit ruft. Bis 8 wollte ich wenigstens schlafen. Nun ja, auch nicht schlimm - der Himmel ist sowieso sehr verhangen, da packe ich mal lieber gleich, damit ich das Zelt trocken verpacken kann. Das gelingt mir auch und so sitze ich auf meinem komplett fertig gepackten Krempel um 20 nach 8 daneben beim Frühstück. Um 9 Uhr macht die Rezeption auf - da kann ich meine letzten beiden Nächte bezahlen. Das Wechselgeld, das ich bekomme, stimmt aber gar nicht mit dem überein, was ich laut Quittung bezahlen soll. Der wollte mir doch glatt auf 3 Nächte herausgeben, aber die erste Nacht vor 10 Tagen hatte ich ja bereits bezahlt. Er schiebt es auf den Computer - versuchen kann man es ja mal.
Dann schiebe ich ab, fahre schön gemütlich nochmal die Strandpromenade entlang bis auf' s Aussichtsplateau, verweile dort eine Zeit und lass mich dann runter nach Granville rollen. Dort schiebe ich mein Rad gemütlich durch die Straßen, gucke Schaufenster dabei an und bin schließlich 2 Stunden vor Abfahrt des Zuges auf dem Bahnhof. Im Wartebereich lasse ich mich nieder und vertreibe mir die Zeit mit Sudoku. Mit einigen Minuten Verspätung - fahren sollte der Zug um 11.47 Uhr und er wird hier eingesetzt - setzt sich der Zug in Bewegung gen Paris.
In Paris ist Rush-Hour und ich benötige 1,5 Stunden für 8 km, um vom Bahnhof Montparnasse nach Nord zu kommen. Dort gibt es eine Thalys-Lounge, aber die bleibt mir auf Grund meines Fahrrades verwehrt. Somit stehe ich mir fast eine Stunde die Beine in den Bauch. In Paris ist vor Betreten des Bahnsteiges Sicherheitskontrolle. Mein Gepäck geht mühelos durch, aber mein Fahrrad wird gründlicher untersucht. Aber schließlich wird es auch für unbedenklich erklärt. Ich schiebe zu meinem Waggon, schaffe erstmal mein ganzes Gepäck hinein und will gerade mein Fahrrad zusammenklappen für den Transport, da werde ich von einem Transporteur gefragt, ob er mein Gepäck in die Halle bringen soll. Ich deute ihm an, dass ich mit dem Zug gerade wegfahren will. Diesen Service hätte ich vor zwei Jahren gebrauchen können, als der Thalys doppelte Länge und ich in der Halle schon mein Fahrrad gepackt hatte und ich es dann den ganzen Bahnsteig entlang schleppen musste, weil mein Waggon ganz am anderen Ende war. Pünktlich legt der Zug ab und es gibt Verpflegung – erst einen kleinen Nachmittagssnack und ab Brüssel wie immer ein kleines Menü. Dazu trinke ich schließlich eine kleine Flasche Rosé. In Paris waren es heute Nachmittag 25 °C und Sonnenschein – kurz nach Paris beginnt ein Sch…Wetter. Außerdem stelle ich fest, dass es halbzehn schon stockduster ist. Gestern saß ich um diese Zeit noch am Meer und die Sonne verschwand gerade im Wasser und es war noch hell.

Die Realität hat mich wieder. Ich habe für vier Wochen einen meiner Träume gelebt, habe mich frei wie ein Vogel gefühlt. Ich habe meine Unfallkilos, die sich seit November letzten Jahres infolge monatelanger Radfahruntüchtigkeit angesammelt hatten, wieder verloren. Klamottentechnisch war es Minimalismus – ist auch ganz schön, wenn man sich morgens keine Gedanken machen muss, was man denn anziehen wird.

Und ich habe viele neue Anregungen für weitere Träume und deren Ausleben bekommen.

 

P.S. Die billige Lenkertasche ist mittkerweile im Müll gelandet, weil sie nach dem Grbrauch auf der Tour an mehreren Stellen kaputt war.

 

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